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Die Klinge von Namara: Roman (German Edition)

Die Klinge von Namara: Roman (German Edition)

Titel: Die Klinge von Namara: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly McCullough
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lösen wollte.
    Verdammte magische Ringe.
    Mit Widerstand rechnend, trat ich kraftvoll zu, doch der schwere, kleine Stein zerbrach so leicht wie eine Kugel aus mundgeblasenem Glas. Während ich auf Qethars Erscheinen wartete, sprang ich auf und stellte mich an das beeindruckende, steinerne Geländer des riesigen, halbmondförmigen Balkons. Außer Luft wollte ich nichts zwischen mir und dem Fluss haben.
    Lange musste ich nicht warten.
    Binnen zehn Minuten pochte Triss mir sacht an die rechte Ferse. Gebäudeecke. Da geht was vor. Ich kann Bewegung in den Schatten fühlen.
    Die Fundamente der Bibliothek waren direkt am Flussufer in die Erde getrieben worden, sodass der Eindruck entstand, die steinerne Mauer wüchse direkt aus dem fließenden Gewässer in der Tiefe empor. Für einen Moment schien sich die Gebäudeecke im Einklang mit dem Wasser zu kräuseln. Dann war Qethar da in all seiner weißen Marmorpracht, glitt einfach um die Ecke auf einem schmalen, steinernen Vorsprung, der aus einer bis vor wenigen Augenblicken noch vollends glatten Mauer hervorgewachsen war. Er stand absolut still und sah aus wie die Statue irgendeines wichtigen Gönners der Bibliothek aus einer längst vergangenen Zeit. Zwar war sein Gesicht mir zugewandt, doch die leeren, weißen Kugeln in seinen Augenhöhlen hätten überallhin schauen können.
    Wie eine seichte Woge an einen Sandstrand gleitet, um schließlich zu brechen, schob sich der kleine Vorsprung des Durkoth an der Mauer entlang und hinterließ auf seinem Weg unversehrtes Mauerwerk. Als er die Höhe des Balkons erreichthatte, änderte die Woge die Richtung und glitt über die Wand zu einer Stelle gleich hinter dem Balkongeländer. Qethar neigte den Kopf in meine Richtung und trat auf den Balkon, ging einfach durch das Geländer, als wäre es nur der Geist eines Hindernisses. Hinter ihm sank der Vorsprung zurück in die umgebende Mauer, verschwand, als hätte es ihn nie gegeben.
    Zwar war ich überzeugt, er könnte die Steine des Balkons überzeugen, ihn zu mir zu bringen, doch stattdessen schritt er selbst auf mich zu. Ich nahm an, das lag daran, dass er wusste, wie verstörend es auf Menschen wirkte, seine Bewegungen zu beobachten, und er mich aus dem Konzept bringen wollte. Eine Vorgehensweise, die er, dessen war ich sicher, in der Vergangenheit bereits unzählige Male mit großem Erfolg angewandt hatte, und die durch diese Erkenntnis keine Spur weniger wirkungsvoll war.
    Ich konnte den Blick nicht von ihm wenden oder vergessen, wie sich seine viel zu heiße Haut an meiner Handfläche angefühlt hatte. Das Lächeln, das er mir zuwarf, als er endlich wenige Fuß entfernt zum Stillstand kam, wirkte beinahe rettungslos selbstzufrieden   – nennt es Porträt des Gottes der Hochmut in Marmor von Sebastian Aufgeblasen, und Ihr könntet es jedem Kunstsammler in den elf Königreichen andrehen.
    Ich hätte mich für die Reaktionen meines Unterleibs ohrfeigen mögen, sowohl für das Unbehagen als auch für das Verlangen. Wenn ich mit Qethar zusammenarbeiten wollte, um Fei und die anderen zu befreien, dann musste ich diesen   … Bann trifft es nicht ganz, da die Andersartigen nicht über Magie verfügen   … Zwang durchbrechen. Blendzauber, Fluch, vielleicht auch nur die menschliche Neigung, sich von Perfektion faszinieren zu lassen. Wie auch immer ihr es nennt, ich musste einen Weg finden, meine Faszination gegenüber ihrem Gegenstand zu neutralisieren. Wie es in Zeiten der Not in der Vergangenheit schon so oft passiert war, kehrten die Worte eines meiner Lehrer im Tempel aus den Tiefen meines Gedächtnisses zu mir zurück.
    In diesem Fall hörte ich Meisterin Alinthide sagen: »Der Schlüssel zur Lösung jedes Problems liegt darin, es zu begreifen. Beobachtet, identifiziert, analysiert. Denkt!«
    Beginnen wir mit der Beobachtung: Qethar sah aus wie eine Statue oder eher wie das Realität gewordene Ideal einer Statue; prachtvoll, beständig, ewig. Ich vermutete, dass diese Illusion von Ewigkeit den Ursprung jener sonderbaren Mischung aus Verführung und Abstoßung bildete, die den Durkoth zu umgeben schien. Die Sinneseindrücke kollidierten mit der Vorstellung, weil sich so etwas schlicht nicht bewegen dürfte.
    Der Gedanke brachte in meinem Gedächtnis etwas zum Klingeln. So etwas hatte ich schon früher einmal empfunden. Wann?
    Keiner von uns hatte bisher gesprochen, und nun zog Qethar sarkastisch eine Braue hoch, aber ich ignorierte ihn. Das musste ich tun, wenn ich im Angesicht

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