Die Klinge von Namara: Roman (German Edition)
hinter dem leeren Stuhl am Ende von Feis Tisch positioniert, um wirkungsvoller am Gespräch teilnehmen zu können. »Mit dem Gesichtsveränderungszauber der Dyade hast du dich vor nicht einmal zwei Tagen beinahe umgebracht, und jetzt willst du das Risiko eingehen, der Elite deine neue Identität zu offenbaren?«
»Ganz und gar nicht, mein Freund. Ich rede nur davon, ein Gerücht zu verbreiten, nicht davon, Plakate mit meinem neuen Gesicht aufzuhängen.«
Triss schlug mit dem Schwanz, sagte aber nichts mehr.
»Ich glaube, mir ist unterwegs irgendetwas entgangen«, sagte Hera. »Warum glaubst du, Reyna würde in den Alten Stallungen auftauchen, wenn du den Leuten erzählst, man hätte Aral Königsmörder bis zu den Überresten des Viertels verfolgt? Müsste sie sich von so einer Menschenjagd nicht ganz besonders fernhalten?«
»Es gibt da etwas, das Aral uns nicht erzählt hat, Hera«, sagte HaS und benutzte dazu irritierenderweise Heras eigenen Mund. »Er hat ein Geheimnis und zögert, es mit uns zu teilen, allerdings habe ich bisher noch nicht herausgefunden, worum es dabei geht.«
»Ist das wahr?«, fragte Hera.
»Ja, ich fürchte, das ist es.« Es gab keine elegante Methode, mit dieser Situation umzugehen, also dachte ich, ich sollte einfach wagemutig den direkten Weg einschlagen. »Sie heißt nicht Reyna. Ihr Name ist Faran, und sie ist … na ja, keine Klinge –Namara starb, ehe sie alt genug war, um geweiht zu werden –, aber sie wurde aufgezogen und ausgebildet wie eine Klinge. Bis sie ungefähr acht oder neun Jahre alt war.«
Hera zuckte auf ihrem Stuhl zusammen, als hätte ihr jemand eine Backpfeife versetzt.
»Das dürfte einiges erklären«, sagte Stal nach einer langen Pause, hörte sich dabei aber keineswegs beglückt an.
Fei nickte. »Und es ändert einiges. Ihr denkt, wenn wir die Gerüchteküche des Schattengewerbes nur genug anheizen und mit Informationen darüber füttern, wo der Königsmörder zu finden ist, dann kommt sie in der Hoffnung auf gegenseitige Unterstützung gelaufen. Schlau.«
»Aber du wirst sie doch nicht unterstützen, oder?« Das war HaS via Stal. »Sie hat den Kothmerk gestohlen, und das offensichtlich nicht, um ihn der Archon zurückzugeben. Sie wollte ihn verkaufen und die Ehre Kodamias für immer beflecken.«
»So einfach ist das nicht«, sagte ich, und Triss nickte zustimmend.
»Inwiefern?«, protestierte HaS, dieses Mal durch Hera. »Wir haben sie aufgenommen, ihr ein Obdach gegeben, ein Heim, Verantwortung. Und dann hat sie, kaum dass sie die Gelegenheit dazu bekommen hat, uns alle verraten.«
Zum ersten Mal, seit ich sie kannte, sah Hera so aus, als wäre ihr angesichts dessen, was HaS durch ihren Mund verkündete, wahrlich unwohl zumute. Interessant.
Das war vermutlich nicht das erste Mal, dass Faran so etwas getan hat , telepathierte Triss.
Nur das erste Mal, dass sie geschnappt wurde. Der Gedanke war mir auch schon gekommen. Ein Mädchen mit Farans Fähigkeiten und Gaben musste nicht den Stallburschen spielen, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Im Notfall konnte es einfach stehlen, was es zum Leben brauchte. Hoffen wir einfach, dass keiner von denen so denkt.
Das werden sie. Um genau zu sein, Fei tut es vermutlich längst. Sieh dir nur an, wie sie versucht, mit der Wand zu verschmelzen.
Was mich veranlasste, auch einen Blick auf Qethar zu werfen. Er hatte seinen steinernen Stuhl zu Beginn des Gesprächs herangerückt, danach aber wieder Statue gespielt. Was immer er über die Sache dachte, an seinem Gesicht konnte ich es nicht ablesen. Und ich war mehr und mehr geneigt zu glauben, dass jede frühere Illusion, dergleichen sei möglich, allein meiner Fantasie entsprungen sein musste, und dass jegliche Ähnlichkeit zwischen seiner und der menschlichen Mimik auf absichtsvollen Manipulationen seinerseits beruhten.
»Habt ihr eine Ahnung, was das Mädchen durchgemacht hat?«, fragte ich, nicht zuletzt, um HaS so sehr zu beschäftigen, dass sie nicht dazu kam, über das nachzudenken, worüber ich nachdachte. »Ich schon. Als die anderen Götter Namara ermordet und ihr Gefolge angewiesen haben, den Tempel zu zerstören, haben sie auch mein Leben zerstört. Ich habe alles verloren, und daran bin ich zerbrochen. Vollständig. Ich bin in eine Whiskeyflasche gekrochen und war verdammt nah dran, darin zu ersaufen, und ich war eine voll ausgebildete Klinge, ein Erwachsener mit fünf Jahren Erfahrung im Feld. Der Königsmörder. Und es hat mich
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