Die Klinge von Namara: Roman (German Edition)
ich arbeite daran, genau dorthin zu kommen, auch wenn ich mir dafür nichts kaufen kann. Aber das ist nicht ganz das Gleiche. Denn ganz egal, wie sicher ich meiner eigenen Interpretation von Gerechtigkeit auch sein mag, ich habe kein himmlisches Mandat mehr und kann folglich nicht wissen , ob ich richtig liege. Ganz im Gegenteil. Der himmlische Hof ist mir spinnefeind.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Vielleicht war das nie anders.Vielleicht hatten wir Klingen nie das Mandat, das wir zu haben glaubten. Vielleicht war Namaras Vorstellung von Gerechtigkeit genauso subjektiv wie meine.«
Triss glitt an meinem Rücken empor und schlang schützend die Schwingen um mich. Alles in Ordnung?
Nein. Aber ich glaube, ich bin vielleicht endlich auf dem richtigen Weg. Danke, dass du all die Jahre bei mir warst.
»Ihr seid ein komischer Kauz«, sagte Fei. »Wollt Ihr etwa behaupten, Ihr glaubt nicht mehr an Namara?«
»Nehmt an, ich würde nicht mehr an die Kompetenz höherer Instanz glauben, das käme der Wahrheit schon näher. Weder weltlich noch religiös. Vielleicht nicht einmal moralisch. Das ist schon komisch. Ich habe meine Göttin geliebt und ihr stets fraglos gehorcht. Ihre Anhänger waren und sind meine Familie. Ich habe die getötet, von denen sie mir gesagt hat, dass ich sie töten soll, und die verschont, die sie verschonen wollte. Ich bin durchaus nicht sicher, ob das richtig war, doch wenn es Euch gelänge, sie aus ihrem Grab zurückzuholen, dann würde ich vermutlich wieder genauso handeln. Allerdings fange ich allmählich an zu hoffen, dass ich die Kraft haben werde, es nicht zu tun.«
Triss beugte sich weit genug vor, dass ich seinen Kopf rechts neben meinem sehen konnte. Er wirkte besorgt. »Wo soll das hinführen, Aral?«
»Da bin ich mir selbst nicht sicher, aber ich glaube, ich gebe langsam die Vorstellung auf, es wäre eine besonders gute Idee, die Unterscheidung zwischen Gut und Böse einer Göttin – oder wem auch immer – zu überlassen. Ich – wir müssen nun unseren eigenen, gerechten Weg finden, Triss, herausfinden, wo unsere Pflicht liegt, und das ist tatsächlich eine gute Sache.« Ich drehte mich wieder zu Fei um. »Das ist weitgehend das, was Ihr Tag für Tag tut, nicht wahr?«
Sie schnaubte. »So hochtrabend würde ich es nicht ausdrücken, Klinge. Gerechtigkeit würde vielleicht bedeuten, dass ichmit meinem Arsch in einer Zelle ende. Ich versuche nur, meine Stadt davor zu bewahren, in ihrer eigenen Scheiße zu ersaufen.« Sie kippte den Rest ihres Biers hinunter und ging zur Hausbar. »Stellt Euch mich eher vor wie einen der armen Teufel, deren Aufgabe es ist, Verstopfungen in der Kanalisation zu beseitigen, dann kommt Ihr der Wahrheit schon erheblich näher.«
Ja, genau, dachte ich zu Triss. Das schien mir höflicher, als darauf herumzureiten. Das kann sie sich einreden, solange sie will, sie hat sich längst verraten. Sie ist auf ihre Art genauso übel wie ich in meiner übelsten Zeit.
Übel? Ganz und gar nicht. Im Moment finde ich euch beide ganz wunderbar.
Ob Fei sich über mein plötzliches Erröten wunderte, würde ich nie erfahren, denn Qethar wählte diesen Moment, um sich wieder am Gespräch zu beteiligen. »Werdet ihr zwei jetzt aufhören über nutzlosen philosophischen Unsinn zu palavern und euch überlegen, wie wir den Kothmerk zurückbekommen können? Jede Stunde, die er in der Hand von Menschen ist, ist noch eine Stunde, in der unsere heiligste Reliquie entweiht wird.«
Da Qethar für mich inzwischen weitgehend mit dem Hintergrund verschmolzen war, wäre ich beinahe rücklings vom Stuhl gekippt, als er sich so überraschend zu Wort meldete. Vielleicht war es genau das, worum es bei dieser schweigsamen Art des Umgangs ging, vielleicht war das einfach nur eine weitere Möglichkeit, uns Menschen zu piesacken.
Wir sind einfach nicht besonders gut darin, auf Dinge zu achten, die sich über Zeiträume von mehreren Stunden nicht rühren. Ganz egal, wie bemerkenswert schön sie auch sein mochten. Ganz egal, dass es in keinem normalen Haus eine Statue gab, die so kostbar war, wie die, die er derzeit darstellte. Ganz egal sogar, dass ich Schlangen mehr vertraute als Qethar. Nach einer Weile hatte ich ihn einfach vergessen.
Noch wusste ich nicht, wie ich auf Qethars Bemerkung reagieren sollte, als ich Fei sagen hörte. »Schön und zum Teufel mit Euch, Durkoth. So sehr ich die Rettung zu schätzen weiß, ich arbeite nicht für Euch, und ich glaube nicht, dass Aral das
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