Die Klinge von Namara: Roman (German Edition)
Keiner der Ersten darf Magie jenseits der Grenzen von Sylvain anwenden. Wir hatten die Wahl zwischen der Magie und unserer alten Heimat unter den Bergen. Wird die Geschichte der Ersten nicht mehr in der Schule gelehrt?«
»Er ist nicht mein Herrscher des Himmels. Und, ja, wird sie.« Aber die Andersartigen – oder, wie sie sich selbst grundsätzlich nannten, die Ersten – waren hier, in den Ländern jenseits der Mauer so selten, dass das nie wirklich wichtig erschienen war und eher den Eindruck von Mythologie vermittelte als den von Geschichte.
Außerdem war ich nicht so sicher, ob es wirklich so wichtig war, wie man das nannte, was die Andersartigen taten. Kein Mensch konnte je hoffen, die Erde zu überzeugen oder eine Verblendung ohne Blendmagie zu wirken. Aus meiner Sicht bestandder einzige Unterschied darin, dass die Magie der Andersartigen für meinen Magierblick nicht sichtbar war. Wenn überhaupt, dann war sie der menschlichen dadurch schlicht überlegen.
Kurz fragte ich mich, wie Siri wohl mit der Verblendung umgegangen war, als sie die Aufgabe bekommen hatte, den Sylvani-Halbgott zu töten, dessen Tod ihr den Beinamen Mythenmörderin eingebracht hatte. Aber für den Augenblick schob ich die Frage beiseite. Später mochte sie vielleicht wichtig werden, wenn ich einmal deutlich mehr mit Durkoth zu tun bekommen sollte. Aber im Augenblick musste ich mich konzentrieren.
»Das ist im Moment nicht wichtig«, sagte ich. »Die Geschichte der Ersten ist mir im Grunde scheißegal. Was ich wissen will, ist, was zwischen Euch und der Dyade los ist. Das, und mehr über den Kothmerk. Also, fangt an zu reden …« Ich brach ab, als Qethar in wildes Gelächter ausbrach, das seinen ganzen Körper durchschüttelte.
Es sah so falsch aus. Eine Statue unter dem Einfluss eines Erdbebens. Ihm zuzusehen bereitete mir Kopfschmerzen.
»Was ist so lustig?«, erkundigte ich mich, als die ersten Erdstöße vorbei waren.
Zwischen den verschiedenen Nachbeben quetschte Qethar hervor: »Du hast gesagt, die Geschichte der Ersten ist dir scheißegal, und im gleichen Atemzug willst du mehr über den Kothmerk erfahren.« Für einen Moment verlor er erneut die Kontrolle über sich, ehe er fortfuhr: »Der Kothmerk ist die Geschichte der Ersten. Das eine lässt sich so wenig vom anderen trennen wie der Mond von den Gezeiten. Zumindest nicht für die Durkoth, auch wenn andere unter den Ersten in diesem Punkt Widerspruch erheben könnten, vor allem die verfluchten Sylvani. Er ist ein Teil der Seele meines Volkes.«
»Könntet Ihr mir dann bitte die Kurzversion liefern?«, bat ich. »Was ist so wichtig an dem Kothmerk?«
»Der Kothmerk ist ein magischer Ring«, sagte eine vertraute Stimme zu meiner rechten. Hauptmann Kaelin Fei.
Ich verzog das Gesicht. Teilweise, weil ich mich ausreichend hatte ablenken lassen, sodass sich jemand an mich hatte heranschleichen können. Aber vor allem hatte es damit zu tun, wer derjenige war. Hauptmann Fei war Wachoffizierin und ein perfektes Musterexemplar eines korrupten Bullen. Der Frau, die manchmal als meine Auftraggeberin agierte und manchmal als Verbündete, war ich seit Monaten aus dem Weg gegangen, weil ich ihr einen wirklich großen Gefallen schuldig war. Mehrere, um genau zu sein.
Seufzend drehte ich mich so, dass ich den Hauptmann sehen konnte – der gerade aus der Lücke zwischen dem Wohnhaus und seinem Nachbarn trat – ohne dabei den Durkoth gänzlich aus den Augen zu lassen. Fei war eine große Frau, breitschultrig und durchtrainiert, Jindu-Meisterin und zugleich eine Straßenkämpferin von üblem Ruf.
Bei diesem Licht war es nicht erkennbar, aber ihre hellen Augen und eine Gischt aus Sommersprossen verrieten, dass es in ihrer Ahnenreihe zhanifremdes Blut gegeben hatte. Vermutlich war das auch der Grund, warum sie sich zu solch einem Streithammel entwickelt hatte; die Straßen Tiens waren kein einfaches Pflaster für Menschen gemischter Abstammung. Ihr Gesicht war rund und wäre für jemanden, der sich als brutaler Raufbold darstellen wollte, beinahe zu hübsch gewesen, wäre da nicht die tiefe Messernarbe auf der linken Seite gewesen.
Sie nickte mir knapp zu. »Der Kothmerk ist ein Ring, geschnitzt aus einem einzigen, massiven Rubin und magisch gehärtet, sodass er härter ist als Stahl. Er ist unbezahlbar.«
Das entlockte Qethar ein verärgertes Zischen. »Weder ist er geschnitzt noch in irgendeiner Weise magisch manipuliert worden.«
»Ja, ich weiß.« Fei verdrehte
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