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Die Klinge von Namara: Roman (German Edition)

Die Klinge von Namara: Roman (German Edition)

Titel: Die Klinge von Namara: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly McCullough
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war es beinahe fünf Glocken, und der bevorstehende Sonnenaufgang überzog die vereinzelten Wolken über dem Ozean mit einem fahlen Korallenton. Es war gewiss nicht kalt, aber auch noch nicht heiß   – das Beste, was man sich in dieser Jahreszeit wünschen konnte. Wir erklommen die Spitze eines Turms an einem Shantempel, etwa zwei Blocks vom Gelbklee entfernt. Ich wollte erst die ganze Gegend in Augenschein nehmen, ehe wir hineingingen, und Shans Zeitenmänner bauten hohe Türme.
    Unten, in den schmalen Straßen, begaben sich die letzten Nachtschwärmer auf den Heimweg, gekennzeichnet durch die Lichter, die sie immer noch bei sich hatten. Langsam, wie Zehntausende erschöpfter Irrlichter, zogen sie dahin. Aber die ersten Morgenmenschen waren auch bereits herausgekommen. Kutscher und Lieferanten brachten Landmilch und eine verwirrende Vielfalt an frischen Produkten für das städtische Frühstück herbei. Arbeiter und Handwerker eilten zur Arbeit. Die Gardisten der Tagesschicht waren gerade dabei, die Sonderlinge und Tunichtgute aus dem Nachtdienst abzulösen. Die meisten der Neuankömmlinge hatten sich nicht die Mühe gemacht, Lichtquellen mitzunehmen, sondern verließen sich darauf, dass ein früher Sommersonnenaufgang ihnen den Weg weisen würde.
    In der Menge, die sich um das Gelbklee herum tummelte, suchte ich nach Mustern, nach Lücken, die auf einen verborgenen Elitesoldaten oder andere beängstigende Individuen hindeuteten. Stellen, an denen sich der menschliche Strom schneller bewegte, um von etwas wegzukommen, das die Leute ängstigte, oder solchen, an denen er langsamer wurde, weil er sich einem Engpass näherte. Wie in allen Vierteln von Tien nahm auch in diesem die Anzahl der Wohnhäuser zu, je tiefer man eindrang. Der Verkehr reflektierte diese Tatsache mit vielen Ochsenkarren auf den breiten Hauptstraßen des Außenbereichs und einem vorwiegend zu Fuß bewältigten Hin-und-Her im Zentrum.
    Das Gelbklee lag im Grenzgebiet zwischen dem Länderviertel und Klein-Varya, ungefähr einen Block von der Hauptstraße entfernt, die beide trennte, und damit genau da, wo die beiden Verkehrsarten sich am schlimmsten vermischten. In dem darauf beruhenden Trubel gab es etliche kleine Lücken und Verwirbelungen, aber nicht mehr als in allen anderen Straßen in Sichtweite unserer Position. Ich musste also zu dem Schluss kommen, dass es keine Beweise gab, die meine Bedenken hätten stützen können.
    »Sieht aus, als könnten wir reingehen«, sagte ich.
    »Du hörst dich nicht gerade an, als wärest du damit glücklich«, gab Triss aus meinem Schatten zurück.
    »Bin ich auch nicht, aber ich kann nicht recht sagen, warum. Mir ist einfach nur nicht wohl dabei.« Ich sah die Dyade an. »Vielleicht solltet ihr hier warten, während ich mit Triss reingehe.«
    »Das denke ich nicht«, sagte HaS. »Das muss etwas mit dem Kothmerk zu tun haben, und ich werde mich davon nicht ausschließen lassen.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Du bist die Klientin.«
    Als HaS wieder zurück in die Tiefe hinter den Gesichtern von Hera und Stal glitt, kam ich nicht umhin, mich zu fragen, wie viel von ihren Reaktionen und Emotionen sich in ihrer Fusion widerspiegelte. HaS war mir gegenüber eindeutig reservierter als Hera, der HaS’ Kommentare bisweilen ein wenig peinlich zu sein schienen. Stal war schwerer zu durchschauen, aber ich glaube, auch sie traute mir inzwischen mehr als HaS, obwohl sie ursprünglich in die Gegenrichtung tendiert hatte.
    Und wer war eigentlich meine Klientin? Hera? Stal? Alle beide? Die Fusion? Alle drei? Es gelang mir nicht, das auf eine Art auseinanderzutüfteln, die mich zufriegengestellt hätte. Aber je besser ich die Dyade kannte, desto klarer wurde mir, dass ich sie nicht als eine Einheit betrachten konnte. Was vielleicht verrückt war, aber nichtsdestoweniger wahr. Sie hatten verschiedene Wünsche und Bedürfnisse und möglicherweise sogar leicht abweichende Absichten.
    Plötzlich stupste Triss mich an. »Lass uns das hinter uns bringen, ehe die Sonne ganz aufgegangen ist. Es wird ein brutal heller Tag werden, und das schränkt meine Möglichkeiten, dir zu helfen, ein. Außerdem ist der Zeitpunkt, den Fei genannt hat, beinahe vorbei, und sie wird sauer sein, wenn wir zu spät kommen.«
    Wie zur Antwort auf Triss’ Worte läuteten die großen Glocken in dem Turm unter uns die Stunde. Ich winkte der Dyade zu, mir zu folgen, und ging zur Rückseite des Turms, an der wir schon heraufgeklettert waren.
    Wie es

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