Die Klinge
gut, dass Sie gerade hier sind, Beck«, fuhr Tweed fort. »Ich dachte mir nämlich, dass Sie vielleicht den Geschäftsführer des Hotels überreden könnten, uns einen Blick in das Zimmer von diesem Mannix werfen zu lassen.«
»Das lässt sich machen.« Beck stand auf. »Warten Sie einen Augenblick …«
Fünf Minuten später öffnete der Assistent der Geschäftsführung - nachdem er zuvor mehrmals geklopft hatte - mit seinem Passepartout die Tür eines geräumigen Zimmers, das nach vorn auf den Hoteleingang hinausging. Becks Autorität und die bloße Erwähnung, dass er in einem Mordfall ermittele, hatten wahre Wunder gewirkt. Ein Zimmermädchen, das herbeigerufen wurde, gab an, dass das Bett nicht berührt worden sei.
Paula öffnete den Garderobenschrank, in dem sich ihr derselbe Anblick bot wie in Montreux. Auf einem Bügel hing ein langer schwarzer Mantel, daneben ein schwarzer Anzug, der Becks Schätzung zufolge einem Mann gehören musste, der größer als einen Meter achtzig war.
Paula ging weiter ins Badezimmer, wo sie auf der Ablage über dem Waschbecken einen nagelneuen Rasierpinsel aus Dachshaar sowie eine noch nicht angebrochene Tube Rasiercreme und einen unbenutzt aussehenden Nassrasierer sah. Die hoteleigene Seife war noch eingewickelt, und in den Borsten der Haarbürste konnte sie kein einziges Haar entdecken.
Paula suchte das ganze Zimmer ab, fand aber keine Spur von einem Hut oder von irgendwelchen Handschuhen. Der ganze Raum wirkte so, als hätte hier seit längerer Zeit niemand mehr gewohnt, was Paula ziemlich unheimlich fand. Sie streifte sich ein Paar Latexhandschuhe über, die sie für alle Fälle bei sich hatte, und klappte vorsichtig einen großen schwarzen Koffer auf, der vor dem Schrank auf dem Boden lag. Er war leer.
»Mr. Mannix hat das Zimmer vor zwei Tagen für eine Woche gemietet«, erklärte der Hotelangestellte. »Und er hat im Voraus bezahlt. In bar.«
»Können Sie mir eine Beschreibung von ihm geben?«, fragte Beck.
»Als er ankam, war an der Rezeption grade sehr viel los, weshalb ihn der Dienst habende Portier nur sehr vage beschreiben kann. Er erinnert sich an einen großen Herrn in schwarzem Mantel und mit einem großen Schlapphut, dessen Krempe er tief ins Gesicht gezogen hatte. Der Page, der sein Gepäck hochtrug, weiß auch nicht viel mehr. Er hat nur gesagt, dass der Gast sehr wortkarg gewesen sei und ihm ein fürstliches Trinkgeld von fünfzig Franken gegeben habe.«
»Ein Phantom, wie in Montreux«, sagte Paula. »Was geht hier vor?«
»Sobald Mr. Mannix ins Hotel zurückkommt, verständigen Sie mich bitte unverzüglich«, sagte Beck und reichte dem Hotelangestellten seine Visitenkarte. »Wenn Sie uns jetzt einen Moment allein lassen könnten, wir machen die Tür zu, wenn wir mit allem fertig sind …«
Als sie allein waren, sagte Beck: »Ich muss Ihnen noch etwas erzählen, was Sie vielleicht erschrecken wird. In Elena Brucans Manteltasche haben wir ein großes Paket mit Kokain gefunden. Könnte es möglich sein, dass sie als Drogenkurier tätig war?«
»Das ist völlig ausgeschlossen«, sagte Tweed heftig. »Sie können es sich übrigens sparen, dieses Zimmer nach Fingerabdrücken zu durchsuchen. Sie werden keine finden. Paula hatte vorhin völlig Recht, als sie meinte, dass dieser Mr. Mannix ein Phantom sei. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das alles hier uns nur von unseren Untersuchungen ablenken soll. Es gibt keinen Mr. Mannix - es sei denn, er ist der Mörder. Auch das Paket mit Kokain ist meiner Meinung nach nur eine Finte. Ein weiterer Versuch, der uns von der richtigen Spur ablenken soll. Irgendjemand will, dass wir glauben, Elena Brucan habe Verbindungen zur Drogenszene gehabt und sei deshalb ermordet worden. Wir haben es hier mit einem wirklich diabolischen Gehirn zu tun.«
Tweed und Paula begleiteten Beck hinunter in die Halle, wo Sophie neben einem Stapel Gepäck in einem der Sessel saß. Als sie Paula sah, sprang sie auf und umarmte sie stürmisch.
»Hallo, Paula. Stellen Sie sich vor, wir fahren heute nach Lugano, zwar erst gegen Mittag, aber ich bin immer gern etwas früher fertig. Wir steigen im Splendide Royal ab, einem wunderschönen Hotel mit einem traumhaften Blick auf den Luganer See und die Berge ringsum. Wieso kommen Sie nicht mit? Unser Zug fährt um sieben nach eins vom Hauptbahnhof ab, Sie haben also noch genügend Zeit zum Packen. Und zur Abwechslung ist mein Vater sogar mal guter Laune. Kommen Sie doch mit! Dann habe ich
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