Die Klinge
armen Adam Holgate. Sie sehen, das alles herauszufinden war nicht allzu schwierig.«
Nicht schwierig?, dachte Tweed. Die Frau ist eine geborene Detektivin. Jemand wie sie hätte ich damals beim Yard gut gebrauchen können.
Paula vertiefte sich schmunzelnd in ihre Akten.
»Sie haben vorhin Miss Grey erwähnt«, sagte Tweed zu seinem Gast.
»Stimmt. Ich spüre, dass sie in Gefahr schwebt, in großer Gefahr. Ich empfehle Ihnen, sie auf Schritt und Tritt bewachen zu lassen.«
Wieder warf Tweed seiner Assistentin einen Blick zu, aber das Lächeln war von ihrem Gesicht verschwunden. Die Vorstellung, rund um die Uhr bewacht zu werden, schien ihr ganz und gar nicht zu behagen.
»Könnten Sie vielleicht ein wenig genauer werden?«, bat Tweed. »Wer bedroht sie denn?«
»Tut mir Leid, aber ich habe keine Ahnung, woher die Gefahr droht.«
»Trotzdem werde ich mir Ihren Rat zu Herzen nehmen, vielen Dank.« Er zögerte kurz. »Wir haben uns übrigens die Fotos angesehen, die Sie uns liebenswürdigerweise überlassen haben. Eine Frage: Warum haben Sie einen bestimmten Mann eigentlich gleich fünfmal fotografiert?«
»Das lag nur an meinem Fotoapparat«, erwiderte Mrs. Brucan mit einem strahlenden Lächeln. »Ich hatte
Angst, dass er nicht richtig funktioniert, und habe deshalb mehrmals hintereinander auf den Auslöser gedrückt.«
Die erste Lüge. Tweed glaubte ihr kein Wort. Sie verheimlichte ihm etwas, das war klar. Vielleicht traute sie ihm nicht. Mrs. Brucan nahm ihre bestickte Handtasche und stand auf.
»Hoffentlich habe ich nicht zu viel von Ihrer wertvollen Zeit verschwendet, Mr. Tweed. Ich sehe, dass Sie viel Arbeit auf Ihrem Schreibtisch liegen haben.«
»Nicht der Rede wert. Eine Unterhaltung mit Ihnen ist keine Zeitverschwendung.«
»Kommen Sie mich doch auch einmal besuchen. Adresse und Telefonnummer haben Sie ja.«
»Wir sehen uns bestimmt wieder«, antwortete Tweed freundlich. Er meinte es ernst.
Mrs. Brucan bedankte sich bei Monica für den Kaffee und erklärte ihr, dass sie noch nie einen besseren getrunken habe. Paula begleitete sie noch hinunter zur Haustür.
»Es ist wie beim letzen Mal«, sagte Monica zu Tweed. »Sie ist weg, aber ihre Gegenwart ist immer noch spürbar.«
»Sie ist wirklich ein erstaunlicher Mensch.«
Paula kehrte mit Newman und Marler im Schlepptau zurück. Marler bezog seinen üblichen Posten neben Paula an der Wand und zündete sich eine seiner langen Zigaretten an, während Newman sich in einen der Sessel fallen ließ.
»Wie ist es gelaufen?«, erkundigte sich Tweed. »Sie machen mir beide einen ziemlich erschöpften Eindruck.«
»Wir haben so gut wie jeden Spitzel ausgequetscht, der uns in die Quere kam«, berichtete Marler. »Während Bob seine Kontaktleute befragt hat, habe ich mich im Hintergrund gehalten, und umgekehrt.«
»Und das Ergebnis?«, fragte Tweed ungeduldig.
»Nichts. Null. Niente«, erwiderte Marler matt. »Wir sind auf eine Mauer des Schweigens gestoßen. Einige von den
Typen haben sogar Reißaus genommen. So etwas habe ich noch nie erlebt. Einer meiner Informanten hat mir lediglich das Gerücht bestätigt, dass die Special Branch hyperaktiv ist und in der Unterwelt verbreitet hat, jeden, der redet, wegen Drogenbesitzes einbuchten zu wollen.«
»Diese Idioten. Besser können sie sich eigentlich nicht verraten«, meinte Tweed kopfschüttelnd. »Die Regierung muss ganz schön verzweifelt sein, wenn sie zu solchen Methoden greift. Ich brauche noch zwei Tage, um Howards Aktenmüll abzutragen. Aber dann werde ich eine Entscheidung treffen, wie wir die Sache an die Öffentlichkeit bringen. Ich hoffe nur, dass wir bis dahin von weiteren Besuchern verschont bleiben.«
Mit kräftiger Unterstützung von Paula wühlte sich Tweed durch seine Aktenberge, und am Ende der zwei Tage hatten sie tatsächlich alles abgearbeitet, obwohl sie zwischendurch doch noch einen Besucher hatten.
Am Abend des zweiten Tages hatte Tweed außer Newman, Paula und Marler noch zwei weitere wichtige Mitglieder seines Teams zu einer Besprechung gebeten. Es waren Harry Butler und Pete Nield, die oft und gern als Zweierteam zusammenarbeiteten. Trotzdem hätte der Kontrast zwischen den beiden Männern kaum größer sein können.
Harry Butler war um die dreißig, nur einen Meter fünfundsechzig groß, aber so stämmig und aggressiv wie eine Bulldogge. Sein kugelrunder Kopf konnte zu einer tödlichen Waffe werden, wenn er einen Gegner damit rammte. Er trug schäbige Jeans und eine
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