Die Klinge
Lektion hatte Luigi in Rom von einem erfahrenen Auftragskiller gelernt.
Während er weiter seine Waffe reinigte, kam ihm ein Gedanke. Er würde sein Motorrad verwenden, das in einer kleinen Seitenstraße ganz in der Nähe stand und dort mit einer schweren Kette gesichert war. Von seinem Fenster aus konnte Luigi das Polizeipräsidium am anderen Ufer der Limmat sehen, was er auf gewisse Weise ziemlich amüsant fand.
Nachdem er die Glock wieder zusammengesetzt hatte, stand er auf, zielte mit der ungeladenen Waffe auf das Foto von Paula Grey und drückte den Abzug. Luigi war klein, aber stark und drahtig und konnte jeden Gegner mit einem einzigen Handkantenschlag erledigen. Wenn Paula Grey morgen früh das Baur au Lac verließ, war sie schon so gut wie tot. Luigi hatte bisher noch nie versagt.
23
Ohne vorherige Warnung des Wetterberichts war die Temperatur am nächsten Morgen um fünf Grad Celsius gefallen. Als Paula auf die Straße trat, war sie deshalb in wärmendes Leder gehüllt. Sie war allein, und es war noch früh am Tag, als sie nach links in die Bahnhofstraße einbog. Sie wusste genau, wohin sie wollte.
Ein städtischer Straßenkehrer fegte die Bürgersteige. Er trug Handschuhe, die nur bis zur Mitte der blau gefrorenen Finger reichten. Dick eingemummte Männer und Frauen eilten an mit Eisblumen überzogenen Schaufenstern vorbei zur Arbeit. Etwas weiter oben in der Straße sah Paula einen Streifenwagen, in dem zwei uniformierte Beamte saßen.
In einem kleinen Park gegenüber dem Eingang des Baur au Lac stand Luigi Morati und fluchte leise vor sich hin. Er hatte Paula sofort erkannt, als sie das Hotel verließ, aber der Streifenwagen hinderte ihn daran, seinen Auftrag auf der Stelle auszuführen. Er schob sein Motorrad hinaus auf die Straße.
Pete Nield hatte seine Warteposition in einigem Abstand vom Hotel in einem Hauseingang bezogen. Er trug einen neuen Mantel, den Paula nicht kannte und den er eigens zu diesem Zweck gekauft hatte, und dazu einen Hut, obwohl er eigentlich kein Hutträger war. Vorsichtig beobachtete er Paula, die sich gerade dem Streifenwagen näherte. Von hinten schob ein Motorradfahrer in einer schicken Lederkombi und mit einem Vollvisierhelm auf dem Kopf seine Maschine an ihr vorbei. Obwohl die Sonne schien, war an
manchen Stellen das Kopfsteinpflaster der Straße noch mit Eis überzogen, sodass Paula genau aufpasste, wo sie hintrat. Ein blaue Trambahn rumpelte laut wie ein Panzer an ihr vorbei.
Paula überquerte die Bahnhofstraße kurz vor dem Paradeplatz, an dem sich mehrere Trambahnlinien kreuzten. An den Haltstellen warteten dichte Trauben von Passagieren. Die Schweizer gingen früh zur Arbeit, und Zürich brummte vor Aktivität.
Der Eingang zur Bar des Baur en Ville befand sich neben dem Haupteingang zum Hotel. Halbrunde Stufen führten hinauf zu einer großen Glastür, die sich automatisch öffnete. Als Paula eintrat, stellte sie fest, dass sie auf Anhieb Glück hatte.
Wie erhofft, saß Sam Snyder allein an einem Tisch im unteren Bereich der Bar und frühstückte. Er sah sie sofort, winkte ihr mit der Gabel zu und forderte sie auf, ihm Gesellschaft zu leisten. Während sie sich setzte, sah sie Snyder in die Augen und bemerkte nicht, dass hinter ihr ein Mann mit beigefarbenem Kamelhaarmantel und Trachtenhut die Treppe zum oberen Bereich hinaufstieg. Nield, der als zusätzliche Tarnung eine getönte Brille trug, setzte sich an einen der hinteren Tische, von dem aus er einen guten Blick hinunter auf Paula hatte.
»Was für ein unerwartetes Vergnügen.« Ein warmes Lächeln erhellte das hagere Raubvogelgesicht des Reporters. »Ich habe gern Gesellschaft beim Essen.«
Paula musste nicht lange auf eine Bedienung warten. »Ich brauche dringend einen Kaffee, um mich aufzuwärmen«, sagte sie zu Snyder, nachdem sie bestellt hatte.
»Ich persönlich mag ja die Kälte, aber ich weiß auch, dass nicht alle Menschen diese Vorliebe mit mir teilen.«
»Wer war es, Sam?«
Paula stellte die Frage ohne jede Vorwarnung. Ehe Snyder ihr eine Antwort gab, verspeiste er bedächtig den Rest
seines Omelettes. Sie konnte fast hören, wie es in seinem Kopf arbeitete.
»Wer war was?«, fragte er schließlich.
»Aber ich bitte Sie. Sie haben doch über den Mord an Hank Foley in Pinedale, Maine, geschrieben. Und auch über den an Adam Holgate in Bray. Sie waren in Montreux, als ein weiterer grässlicher Mord passierte. Und jetzt, im Fall von Elena Brucan, sind Sie wieder hier.«
»Sie war eine
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