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Die Klingen der Rose: Ein unwiderstehlicher Schurke (German Edition)

Die Klingen der Rose: Ein unwiderstehlicher Schurke (German Edition)

Titel: Die Klingen der Rose: Ein unwiderstehlicher Schurke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Archer
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losreißen.
    Wie von einem Magnet fühlte sie sich von dem riesigen Schreibtisch angezogen. Von hier aus lenkte ihr Vater seine Geschäfte, traf folgenschwere Entscheidungen und bestimmte über Lebenswege. London strich mit den Fingern über die Oberfläche des Schreibtisches und versuchte, etwas von seiner Macht in sich aufzunehmen. Sie konnte etwas davon für ihr eigenes Leben gebrauchen. Dabei fiel ihr Blick auf ein paar Blätter Papier. Jemand hatte mit Kohle Schriften von einem Stein auf das Papier durchgerieben. Antike Schriften. Sie runzelte die Stirn. So wie sie dort lagen, ergaben sie keinen Sinn. London konnte nicht anders. Sie ordnete die Seiten neu.
    »Was zum Teufel tust du da?«
    Als sie die wütende Stimme ihres Vaters vernahm, fuhr London erschrocken herum. Er stürmte ins Arbeitszimmer und für einen Augenblick fürchtete sie, er könnte tätlich werden. So hatte er sie noch nie zuvor angesehen oder mit ihr gesprochen. Sonst behandelte er sie stets, als sei sie aus Zuckerwatte. Ihr gefiel beides nicht.
    »Es tut mir leid, Vater«, stieß London hervor. Sie wollte zurückweichen, doch der Schreibtisch stand im Weg. »Ich wollte nur helfen.«
    »Hast du etwas angefasst? Etwas gelesen?«
    »Nur das.« Sie deutete auf die Seiten. »Sie waren durcheinandergeraten.«
    »Durcheinandergeraten?«, wiederholte ihr Vater und ließ den Blick über die Seiten wandern. Auf seinem Gesicht zeichnete sich Verwirrung ab. »Du kannst lesen, was da steht?«
    Ohne zu wissen, ob sie nicht alles nur noch schlimmer machte, wenn sie ihm ihre linguistischen Kenntnisse offenbarte, beschloss London, ihr Wissen preiszugeben und sich nicht wie ein feiges, ungebildetes Mädchen zu benehmen. »Ja, Vater. Es handelt sich um eine sehr alte Form des Griechischen, die man nur auf den Kykladen kannte. Nur wenige Gelehrte wissen überhaupt von ihrer Existenz. Und ich«, fügte sie hinzu und bemühte sich, nicht allzu stolz zu klingen.
    Er blickte sie finster an, doch seine Wut schien sich zu legen. »Du?«
    »Ja, ich.«
    »Sind die anderen Gelehrten Engländer?«
    »Ein Franzose, ein Deutscher und ein Russe. Ich bin die Einzige in England, die diese Form des Griechischen kennt.«
    Nach einem Augenblick sagte er beinahe widerwillig: »Und was steht da nun?«
    Sie unterdrückte die Glückswelle, die seine Worte in ihr auslösten. »Das ist ja das Seltsame«, sagte sie und wandte sich wieder den Papieren zu, »selbst in der richtigen Reihenfolge ergeben die Worte keinen Sinn. Ich nehme an, dass es noch mehr geben muss.«
    »Ja, es gibt noch mehr davon. Viel mehr.«
    »Wenn ich alle Worte im Zusammenhang sehen könnte, würde ich ihren Sinn vermutlich verstehen.«
    Ihr Vater wandte sich ab und nahm eine Zigarre aus einem Humidor, der aus Rosenholz gefertigt war und auf seinem Schreibtisch stand. Mutter mochte nicht, wenn er im Haus rauchte, doch in seinem Arbeitszimmer konnte er tun, was ihm gefiel. Er schnitt die Zigarre ab, zündete sie an, zog ein paar Mal nachdenklich daran und betrachtete unterdessen die Landkarten. London stand ängstlich daneben. Was würde er tun? Sie verstoßen? Ihr dieses Haus verbieten?
    »Weißt du, welcher Art meine Arbeit für die britische Regierung ist?«, fragte er schließlich.
    Sie schüttelte steif den Kopf.
    Vorsichtig, als erklärte er einem Kind ein kompliziertes wissenschaftliches Prinzip, sagte er: »Ich, Jonas, Lawrence und alle unsere Kollegen sind Archäologen. Wir suchen auf der ganzen Welt nach antiken Objekten und bringen sie zurück nach England, damit sie unserem Land zur Ehre gereichen.«
    Dasüberraschte sie. London hatte ihren Vater oder seine Kollegen nie für Wissenschaftler oder Akademiker gehalten. Doch das behielt sie für sich und ließ ihren Vater fortfahren.
    »Die Durchreibungen, die du hier siehst«, er deutete auf seinen Schreibtisch, »sind Teil eines umfassenderen Textes und wurden von einer Ruine in Griechenland abgenommen. Keiner meiner Mitarbeiter konnte sie entziffern. Auch kein einziger Universitätsprofessor im ganzen Land. Aber du«, und bei diesen Worten richtete er seinen Blick auf sie, »eine Frau, meine Tochter, vermagst, wozu niemand sonst imstande ist.«
    »Ich verstehe es ja auch nicht«, fühlte sich London bemüßigt zu sagen. »Nicht ganz jedenfalls. Um den Sinn zu erfassen, muss ich den gesamten Text sehen.«
    »Ja«, stimmte ihr Vater zu. »Zum Wohle Englands ist es unumgänglich, dass wir diese Schriften entziffern. Unter normalen Umständen würde ich

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