Die Klingen der Rose: Ein unwiderstehlicher Schurke (German Edition)
erwiderte ihr Vater finster. »Nur der Tod kann sie aufhalten. Aber mach dir keine Sorgen«, setzte er in beruhigendem Ton hinzu. »Wir finden diese Schurken und machen ihnen endgültig den Garaus.«
Bei der Vorstellung, dass Bennett Day totenkalt auf dem Deck des Kaiks lag, zitterte London. Um das Bild zu vertreiben, trank sie einen wärmenden Schluck Brandy. Doch es half nichts. Ständig musste sie daran denken, was Day und Athene Galanos ihr erzählt hatten. Ihr Vater sei ein gnadenloser Verbrecher, der die Welt beherrschen wollte. Jonas, Lawrence und Thomas Fraser – alle zählten sie zu diesen heimlichen Ränkeschmieden. Als sie an Bord des Kaiks Day und Athene zugehört hatte, war ihr all das beinahe möglich erschienen. Doch als sie nun in das vertraute Gesicht ihres Vaters blickte, seine Gesten sah, die sie zeitlebens kannte, kam ihr alles völlig irreal vor. Magie? Wirklich? Und ihr Vater mittendrin? Aber was sollte London tun, wenn Day wirklich die Wahrheit sagte? Eine plötzliche Müdigkeit senkte sich schwer auf ihre Schultern.
»Ich glaube, ich sollte mich etwas hinlegen«, sagte sie und stellte das Glas neben sich auf einem Tisch ab.
»Gleich, London. Vorher muss ich dir ein paar Fragen zu der Entführung stellen. Ich weiß, das ist sicher nicht leicht für dich, aber sei ein gutes Mädchen und versuch zu antworten.« Mit härterer und ernster Miene fuhr er fort: »Die Klingen stecken dahinter, nicht wahr? Sie waren es, die dich entführt haben.« Bei seinen Worte überzog sich ihre Brust mit einer Eisschicht. Es stimmte also. Keine Geschichten, keine Tricks. Allein, dass sie das Wort »Klingen« aus dem Mund ihres Vaters hörte, machte schlagartig alles deutlich realer.
»Ja«, erwiderte sie leise.
Er durchbohrte sie mit seinem scharfen Blick. »Was wollten die Klingen von dir?«
London zögerte. Sollte sie ihrem Vater erzählen, dass die Klingen sie gebeten hatten, sich ihnen anzuschließen? Sie wusste nicht, wie er darauf reagieren würde. Vielleicht würde er sie in der Folge voller Misstrauen beobachten, ihre Bewegungsfreiheit einschränken oder sie sogar von bewaffneten Männern bewachen und womöglich einsperren lassen.
»Sie wollten nur wissen, was ich weiß«, erklärte sie schließlich. »Und das ist, wie du ja am besten weißt, nichts. Zumindest weiß ich bis jetzt nichts.«
»Kennst du ihre Namen?«
London zögerte. »Nein. Aber, Vater«, sagte sie und konzentrierte sich auf das grobe Gewebe der Decke, die sie fest zwischen ihren Händen hielt, »sie haben mir … Sachen erzählt.« Leiser sprach sie weiter: »Über dich. Und Jonas. Und Lawrence. Und … alle. Sie sagen«, sie schluckte, »ihr wärt Ungeheuer.«
Anstatt wütend zu werden, wirkte ihr Vater nur belustigt. »Es gibt keine Ungeheuer, London.« Er lachte. »Mir ist schon klar, dass die Klingen die Erben für Dämonen halten. Aber nur, weil wir nicht ihren naiven Idealismus teilen.«
»Aber es kann doch nicht richtig sein«, hielt London dagegen, »dass ihr, die Erben, zahlreiche Menschenleben riskiert, um anderen ihren rechtmäßigen Besitz abzunehmen!«
Wieder lachte er, als amüsiere er sich über die Fantastereien eines Kindes. Er deutete auf die Karten auf dem Tisch. »Ob es uns gefällt oder nicht, die Welt verändert sich. Es ist eine hübsche Vorstellung, dass ein Paradies aus der Zeit vor dem Sündenfall existiert, in dem wilde, unzivilisierte Menschen ohne Gier, ohne Hass und frei von Sünde leben. Aber wir wissen, dass das nicht der Fall ist. Diese gottlosen Wilden leben im Elend und entbehren alles Gute, das die englische Kultur und Gesellschaft zu bieten haben. Weißt du«, fuhr er im Ton eines Schulmeisters fort, »dass die Hindus ihre Frauen verbrennen? Wenn ein Ehemann stirbt, muss die Ehefrau sich auf einen Scheiterhaufen werfen und sich bei lebendigem Leib verbrennen! Stell dir doch nur vor, wir praktizierten die Witwenverbrennung in England. Dann wärst du in Flammen aufgegangen, als Lawrence starb. Kannst du das etwa gutheißen?«
»Was hat das mit dem Raub dieser magischen Quellen zu tun?«, fragte sie verwundert.
»Sehr viel«, erwiderte er mit leicht ungeduldigem Unterton. Er hatte eindeutig nicht mit ihren Einwänden und Fragen gerechnet, und sie missfielen ihm offenkundig. »Je mehr Quellen die Erben von Albion besitzen, desto mächtiger werden sie – und desto mächtiger wird England. Mit Hilfe dieser Mittel kann das Reich seine Feinde vernichten und vollends zur Blüte kommen. Aufklärung
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