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Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)

Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)

Titel: Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoe Archer
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verschmutzten Sachen in eine Decke gewickelt und sie wieder in seinem Gepäck verstaut. Besser die Polizei fand keinen Hinweis auf seine Identität, wenn sie Morris’ Leiche entdeckte.
    Huntley hatte Morris mit überaus schlechtem Gewissen allein in der dunklen Gasse zurückgelassen, doch er konnte es nicht ändern. Der Erste Steuermann der Frances hatte ihm aufgrund der Papiere abgenommen, dass er Anthony Morris aus Devonshire Terrace in London war und ihm eine Kabine zugewiesen, die deutlich luxuriöser als die auf seiner Heimreise war. Als das Schiff den Anker lichtete, hielt Huntleys ruheloses Herz es in der eleganten Kabine mit den Messingbeschlägen und gerahmten Stichen nicht mehr aus. Zusammen mit ein paar anderen Passagieren fand er sich an Deck ein und sah zu, wie sich die Küste Englands entfernte.
    »Wir fahren nach Konstantinopel.« Huntley drehte sich um und sah sich einer eleganten jungen Frau gegenüber, die ihn fröhlich anstrahlte. Ihre Mutter stand daneben und hatte ein wachsames Auge auf den Flirt ihres Sprosses. Offenbar wusste sie aber genug über »Mr. Morris«, um ihn als passende Begleitung für eine Schiffsromanze zu akzeptieren. Huntley beschlich Panik.
    »Das ist meine erste Auslandsreise«, fuhr das Mädchen unbeirrt fort. »Ich kann es kaum erwarten, aus dem langweiligen alten Shropshire fortzukommen.« Sie erwartete mit einem hübschen Lächeln seine entsprechend charmante Antwort. Auf seinem Rücken bildete sich ein leichter Schweißfilm.
    »Ich kannte mal jemand in Konstantinopel«, sagte Huntley schließlich. »Ein exzellenter Schütze. Einmal hat er einen Moskito von dem Hinterteil eines Büffels geschossen.«
    Das Mädchen starrte ihn mit offenem Mund an, errötete, drehte sich um und flüchtete, so schnell sie konnte, in die schützenden Arme ihrer Mutter. Nachdem die Mutter ihn mit einem entsprechenden Blick gestraft hatte, verschwanden beide. Vermutlich verbreiteten sie nun überall, dass Mr. Morris der ordinärste Mann mit den schlechtesten Manieren auf dem ganzen Schiff sei, schlimmer noch als der einäugige Koch, ein saufender Atheist.
    Vielleicht war es gut, wenn er sich noch eine Zeit lang von England fernhielt. Nach seiner Rückkehr musste Huntley auf Brautschau gehen, und nach der letzten Begegnung zu urteilen, musste er vorher dringend an seiner Konversation arbeiten. Es ging eben nicht spurlos an einem Mann vorbei, wenn er fünfzehn Jahre fern von der Gesellschaft ehrenwerter Damen verbracht hatte.
    Vor ihm lag aber ein noch größeres Rätsel als der weibliche Verstand. Huntley griff in seine Tasche, zog den beeindruckenden Kompass hervor und starrte auf den Deckel. Als könnte er so die Schrift so entziffern, rieb er mit dem Daumen darüber. Dann klappte er ihn auf und betrachtete die vier Klingen, die die vier Himmelsrichtungen symbolisierten. Selbst er erkannte, dass es sich um ein altes und wertvolles Stück handelte, dass voller Rätsel steckte.
    Ja, es würde sehr interessant werden. Kein Leeds, keine Arbeit und keine Frau, zumindest noch nicht. Auf seinen Lippen erschien ein schiefes Lächeln. Er wandte der englischen Küste den Rücken zu und kehrte nach unten in seine Kabine zurück.

2
    EINE RÄTSELHAFTE NACHRICHT
    Urga, Äußere Mongolei. 1874. Drei Monate später.
    Ein Engländer hielt sich in Urga auf.
    Die Stadt war Fremde gewohnt. Halb Urga wurde von Chinesen bevölkert; Kaufleuten, die Handel trieben, und Manchubeamten, die das Reich der Quing verwalteten. Auch die Russen hatten einen kleinen Stützpunkt im Ort. Das russische Konsulat gehörte zu den wenigen modernen Gebäuden der Stadt, die überwiegend aus Filzzelten, den sogenannten Gers , und buddhistischen Tempeln bestand. Es schien also nicht ganz ungewöhnlich, dass sich ein Ausländer in der Stadt aufhielt.
    Doch Engländer waren eher selten und für Thalia Burgess beunruhigend.
    Sie eilte durch das, was man hier als Straßen bezeichnete, und drängte sich an den Menschen vorbei. Eine Menschenansammlung in einem so weiten offenen Land wirkte seltsam. Wie ein typischer Mongole war Thalia in einen Del gekleidet, eine dreiviertellange Tunika mit Stehkragen, die man an der rechten Schulter mit Knöpfen schloss. Um die Taille hatte sie eine Schärpe aus roter Seide gebunden. Darunter trug sie Hosen, die in Stiefeln mit nach oben gebogenen Spitzen steckten. Wie ihr Vater stammte Thalia aus England, doch beide lebten bereits so lange in der Mongolei, dass sie selbst den einsamsten Nomaden kaum noch

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