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Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)

Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)

Titel: Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoe Archer
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nicht.«
    Ihrem Empfinden nach zu ruhig sagte er: »Sei so lieb und reich mir mein Gewehr.« Thalia holte die Waffe ihres Vaters hervor. Franklin überzeugte sich, dass das Gewehr geladen war, und steckte es dann so hinter seinen Sessel, dass er leicht herankam. Dabei achtete er sorgsam auf sein rechtes Bein, das vor ihm auf einem niedrigen Hocker ruhte. Endlich begannen die Knochen zusammenzuwachsen. Nachdem die Heilung des bösen Bruchs sehr zögerlich vorangegangen war, wollten weder Thalia noch ihr Vater den Prozess durch irgendetwas gefährden. Wie durch ein Wunder hatte ihr Vater, nachdem er von einer Pferdeherde überrannt worden war, sich lediglich ein Bein gebrochen und ein paar Kratzer und Prellungen zurückbehalten. Es hätte deutlich schlimmer kommen können.
    »Wir wissen also nicht, ob er ein Erbe ist«, stellte Franklin fest. Er blickte zu dem Turmfalken, den sie auf einer Stange neben dem Bücherbord hielten. Der Vogel wirkte nicht beunruhigt. Ein gutes Zeichen. »Nur für den Fall, dass er kein Erbe ist, wäre es vielleicht klug, wenn du … « Er deutete auf ihr Del. Er selbst trug eine Mischung aus europäischer und mongolischer Kleidung. Unter europäischen Männern war es durchaus üblich, sich der Landeskleidung anzupassen, doch das galt nicht für Frauen. Sollte sich dieser fremde Engländer lediglich als Händler oder Gelehrter entpuppen, machten sie sich womöglich verdächtig. Offiziell arbeiteten Franklin Burgess und seine Tochter Thalia als Anthropologen, die die Sitten des Landes erforschten.
    Thalia blickte an sich herunter und schnitt eine Grimasse. »Was tue ich nicht alles für die Klingen«, murmelte sie. Ihr Vater lachte. Sie küsste ihn flüchtig auf seine stoppelige Wange und eilte in ihr Ger . Getrennte Zelte für Eltern und Kinder waren bei mongolischen Familien nicht üblich. Doch nach Thalias dreizehntem Geburtstag hielt ihr Vater es für ratsam, sich von den einheimischen Sitten zu distanzieren und seiner Tochter etwas Privatsphäre zu gönnen.
    »Udval«, rief sie ihrer Dienerin auf Mongolisch zu, »bringst du mir bitte mein Kleid? Das englische? Es liegt ganz unten in der grünen Kiste.«
    Thalia zog Del und Stiefel aus, während die Frau ihren Tee mit Milch zur Seite stellte, um nach dem selten getragenen Kleid zu suchen.
    »Hier ist das Kleid, Thalia Guai. « Udval hielt das fragliche Kleidungsstück in der Hand. Zweifelnd blickte sie zwischen Thalia und dem hellblauen Kleid hin und her. »Ich glaube, es ist eingelaufen.«
    Thalia stand in Unterhose und Unterkleid in der Mitte ihres Gers und unterdrückte ein Seufzen. »Nein, das Kleid hat sich nicht verändert, ich bin gewachsen.« Drei Inches, um genau zu sein. Thalia hatte das Kleid zum letzten Mal mit fünfzehn getragen. Als Mädchen war sie nicht auffallend groß gewesen, inzwischen jedoch zu einer großen Frau herangewachsen, die den meisten Männern auf Augenhöhe gegenübertreten konnte. Ihr Vater und sie hatten das Konfektionskleid in einem Geschäft an der Regent Street gekauft. Es war das letzte Relikt ihrer lange zurückliegenden Reise nach England. Zweifellos hatte sich die Mode stark verändert, doch Thalia besaß nicht die leiseste Ahnung, wie. Nur selten gelangte eine englische Frauenzeitschrift in die Äußere Mongolei.
    »Wir müssen das Beste daraus machen«, erklärte sie Udval, die das Kleid hielt, während Thalia sich hineinkämpfte.
    »Haben englische Frauen weniger Rippen?«, fragte Udval, während sie tapfer versuchte, das Kleid hinten zu schließen.
    »Nein«, keuchte Thalia und versuchte, die Luft anzuhalten, »sie drücken ihre Rippen gern mit einem Korsett in ihre Organe.«
    »Ah! Jetzt ist es zu, aber atmen Sie nicht zu tief ein. Was ist ein Korsett?«
    Thalia zerrte an den Ärmeln, doch wenn sie das Kleid nicht zerreißen wollte, musste sie sich damit abfinden, dass sie nur bis zur Mitte ihrer Unterarme reichten. »Ein Folterinstrument, das Rippen und Bauch einer Frau zusammenpresst.«
    Udval wirkte schockiert. »Wieso tun die englischen Männer ihren Frauen das an?«
    »Weil die Frauen wesentlich gescheiter als die Männer sind«, erwiderte Thalia. Sie schüttelte die üppigen Röcke aus, die schlaff auf den Boden herabhingen. Ohne eine Krinoline sah das Kleid aus wie ein altes Zirkuszelt. Thalia fiel ein, dass sie die dazugehörigen feinen Schuhe nicht mehr besaß, aber in die würde sie ohnehin nicht mehr hineinpassen. Sie schob die Füße zurück in ihre mongolischen Stiefel. Es blieb

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