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Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)

Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)

Titel: Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoe Archer
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auffielen. Niemand beachtete sie, als sie durch das Labyrinth aus Straßen zu den beiden Gers lief, die sie mit ihrem Vater bewohnte.
    Sie unterdrückte ihre aufsteigende Panik. Auf dem Markt hatte sie gehört, dass ein Engländer in diesen entlegenen Teil der Welt gekommen war. Das allein reichte, um sie zu beunruhigen. Noch schlimmer war, dass sich dieser Fremde nach ihrem Vater, Franklin Burgess, erkundigt hatte. Sie war sofort zurückgelaufen. Denn selbst mithilfe der Bediensteten war ihr Vater nicht in der Lage, sich gegen die Erben zu verteidigen.
    Als Thalia durch die Straßen eilte, wich sie einer Gruppe Mönche in safrangelben Gewändern aus, darunter einige Jungen, die zu Lamas ausgebildet wurden. Als sie an einem Tempel vorbeikam, aus dem Mönchsgesang drang, blieb sie abrupt stehen. Sie drückte sich rücklings gegen die Mauer und versteckte sich hinter einer bemalten Säule.
    Da war er. Der Engländer. Sie erkannte ihn sofort an seiner Kleidung – ein robuster Mantel, Khakihosen, hohe Stiefel und ein zerbeulter Filzhut mit breiter Krempe auf den blonden Haaren. Er führte Gepäck mit sich, und über seiner Schulter hing ein Gewehr in einem Futteral. An der linken Hüfte trug er eine Pistole, an der rechten ein Jagdmesser mit Horngriff. Die gesamte Ausstattung wirkte, als hätte er sie schon häufig benutzt. Ein Reisender. Er war groß und überragte die Menge beinahe um einen halben Kopf. Da er sich von ihr entfernte, konnte Thalia sein Gesicht nicht erkennen und wusste nicht zu sagen, ob er jung oder alt war. Sein lässiger, selbstbewusster Gang deutete allerdings eher auf einen jüngeren Mann hin. In seinem derzeitigen Zustand konnte ihr Vater es nicht mit einem jungen, gesunden, bewaffneten Mann aufnehmen.
    Thalia stieß sich von der Säule ab und flitzte einen schmalen Gang zwischen den Gers hinunter. Wer auch immer dieser Mann war, er kannte sich in Urga nicht so gut aus wie sie. Sie konnte Abkürzungen nehmen und zumindest vor ihm zu Hause sein. Da ihr Vater einen Unfall gehabt hatte, hielten sie sich nun schon seit Monaten in Urga auf. Das Durcheinander ergab zwar immer noch keinen Sinn für sie, aber es war ihr vertraut, und sie fand sich darin zurecht.
    Sie eilte an den Zäunen der Zelte entlang, schlängelte sich an Ziegen- und Schafherden, Pferden und Kamelen vorbei und wich wilden, zähnefletschenden Wachhunden aus. Als ein Hund in ihr Bein kniff, knurrte sie das Tier an, das daraufhin von ihr abließ. Geschickt wich sie einer Horde spielender Kinder aus. Im Schutz eines Gers erhaschte sie einen weiteren Blick auf den Engländer, diesmal auf sein Gesicht. Ja, er war jung, aber mehr konnte sie nicht sagen.
    Vielleicht war er gar kein Erbe, versuchte sie sich zu beruhigen. Vielleicht handelte es sich bloß um einen Händler oder Wissenschaftler, der in der Äußeren Mongolei seiner Arbeit nachging und Menschen suchte, die seine Sprache verstanden. Sie lächelte grimmig. Das schien ihr nicht sehr wahrscheinlich. Niemand kam ohne besondere Absicht nach Urga. Und die Absicht des Engländers hatte mit ihnen zu tun .
    Schließlich erreichte sie die zwei Gers auf ihrem Grundstück. Als Thalia durch die Tür in das Zelt ihres Vaters stürmte, saß er im Sessel und las. Das Mobiliar hätte genauso gut in einem mongolischen Ger stehen können. Auf die ausländischen Bewohner deuteten nur die englischen, russischen und französischen Bücher hin. Dass sie ihren Vater allein und unversehrt vorfand, erleichterte sie einen Augenblick. Franklin Burgess war fünfundfünfzig Jahre alt, seine ehemals schwarzen Haare und der Bart schimmerten silbrig, und das Leben in der freien Natur hatte feine Fältchen um seine grünen Augen gezeichnet. Fast die gesamten fünfundzwanzig Jahre ihres Lebens hatte Talia mit ihm allein gelebt und konnte sich eine Welt ohne ihn überhaupt nicht vorstellen. Das war für sie wie ein Leben ohne die Sonne. Kalt. Unerträglich.
    Bei ihrem stürmischen Auftritt legte er sein Buch zur Seite und blickte sie über den Rand seiner Brille hinweg an.
    »Was ist los, Tsetseg ?«, fragte er.
    Thalia berichtete ihm rasch, was sie erfahren hatte, und ihr Vater runzelte die Stirn. »Ich habe ihn gesehen«, ergänzte sie. »Er wusste nicht, wo es langging, ist deshalb aber nicht gleich in Panik geraten. Er scheint ungewöhnliche Situationen gewohnt zu sein.«
    »Könnte es sich um einen Erben handeln?«, fragte Franklin, während er die Brille absetzte.
    Sie schüttelte den Kopf. »Das weiß ich

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