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Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Alles, was man je von ihr fand, konnte von der übrigen Asche nicht unterschieden werden.«
    Er führte Adam zu einem Lift und nahm ihn schweigend in den dritten Stock mit.
    »Noch immer an der Stellung interessiert?«
    »Worin besteht die Arbeit?«
    »Sich um sie kümmern.« Er deutete mit dem Kopf zu dem kalten Kellerspeicher hinunter.
    »Gut«, sagte Adam.
    »Und bei Obduktionen assistieren. Haben Sie je einer Obduktion beigewohnt?«
    »Nein.«
    Er folgte Lobsenz in einen weißgekachelten Raum. Auf dem weißen Seziertisch lag eine winzige Gestalt, eine Puppe, dachte er, und erkannte dann, daß es ein farbiges Baby war, höchstens ein Jahr alt.
    »Tot im Kinderbett gefunden. Weiß nicht, warum sie starb. Tausende Kinder tun uns das jedes Jahr an. Eines der Geheimnisse. Der verdammte Narr von einem jungen Hausarzt machte Mund-zu-Mund-Beatmung bei ihr, bis er es aufgab. Wartete einen Tag und geriet dann allmählich in Panik, als ihm klar wurde, daß sie vielleicht an irgend etwas Ansteckendem gestorben sein konnte. Hepatitis, Tb, wer weiß. Geschähe ihm recht, wenn wir etwas fänden, der Dummkopf.«
    Er schob die Hände in die Handschuhe, lockerte die Finger, nahm dann ein Skalpell und machte einen Schnitt, der von jeder Schulter zum Brustbein und dann zum Bauch hinunter verlief. »In Europa macht man das in einer geraden Linie vom Kinn abwärts. Wir ziehen das Y vor.« Die braune Lederhaut teilte sich magisch, darunter lag eine gelbe Schicht, Babyfett, dachte Adam etwas vorschnell, und darunter weißes Gewebe.
    »Man muß sich immer vor Augen halten«, sagte Lobsenz nicht unfreundlich, »daß das kein Fleisch ist. Das ist kein menschliches Wesen mehr. Was einen Körper zu einem Menschen macht, ist Leben, Persönlichkeit, die göttliche Seele. Die Seele ist aus diesem Käfig fortgegangen. Was übrigbleibt ist Ton, eine Art plastischen Materials, von einem höchst tüchtigen Hersteller erzeugt.«
    Während er sprach, forschten die behandschuhten Hände, das Skalpell schnitt auf, er entnahm Proben, hier ein Stückchen, dort ein Klümpchen, ein Teilchen von diesem, eine kleine Schnitte von jenem. »Die Leber ist wunderschön. Haben Sie je eine hübschere Leber gesehen? Bei Hepatitis wäre sie geschwollen, wahrscheinlich mit Blutungsflecken. Sieht auch nicht nach Tuberkulose aus. Der Dummkopf hat Glück.«
    Er ließ die Proben für Laboruntersuchungen in irdene Töpfe fallen, legte alles wieder in die Höhlung zurück und nähte den Brustschnitt zu.
    Es hat mir überhaupt nichts ausgemacht, dachte Adam. Ist das alles?
    Lobsenz führte ihn die Halle hinunter in einen weiteren Sezierraum, fast ein Duplikat des ersten. »Wenn wir es eilig haben, richtet der Famulus den einen Raum her, während ich in dem anderen arbeite«, erklärte er. Auf dem Tisch lag eine alte Frau, verbrauchter Körper, schlaffe Zitzen, verrunzeltes Gesicht: Mein Gott, mit einem Lächeln. Die Arme waren über der Brust gefaltet. Lobsenz entfaltete sie, ächzend vor Anstrengung. »Die Lehrbücher erzählen einem, daß der rigor mortis in den Kiefern beginnt und sich schön ordentlich den Körper hinunter fortsetzt. Lassen Sie sich von mir gesagt sein: so ist es nie.«
    Als sie offen war, duftete sie nicht gerade nach Rosen. Adam hielt die Kiefer fest zusammengepreßt – rigor vitae –, atmete so sparsam wie möglich und spürte, wie sich sein Bauch unter seinem leeren Magen zusammenkrampfte. Wer hielt Speien für ein großes Vergnügen? Samuel Butler. Ich werde mir dieses Vergnügen nicht gönnen, sagte er sich energisch.
    Schließlich nähte Lobsenz die Brust wieder zu.
    Als sie in das Büro zurückkehrten, nahm der amtliche Leichenbeschauer zwei zerkratzte Schnapsgläser aus der Mittellade seines Schreibtischs und goß Adam und sich aus der Whiskeyflasche mit dem Schildchen puren Schnaps ein. Die Aufschrift lautete »Probe Nummer Zwei Elliot Johnson«. Sie gossen den Whiskey hinunter.
    »Muß aufs Klo«, sagte Lobsenz und nahm einen Schlüssel von einem Nagel an der Wand.
    Als er hinausgegangen war, sagte das magere Mädchen ohne von der Schreibmaschine aufzublicken: »Er wird Ihnen ein Zimmer und monatlich fünfundsiebzig bieten. Nehmen Sie den Job nicht unter hundert. Er wird Ihnen sagen, daß er andere Kandidaten hat, aber es war nur ein Bewerber da, der sich während der Obduktion erbrach.« Die Tasten klapperten weiter. »Er ist ein phantastischer Bursche, aber voller Tricks«, sagte sie.
    Dr. Lobsenz kam händereibend zurück. »Nun, was

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