Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
Vom Netzwerk:
Weihnachtslieder, und Dr. Longwood reagierte auf die Festesfreude so, als bestätigte sie seine schlimmsten Befürchtungen über die menschlichen Schwächen junger Chirurgen.
    »Ich glaube, mit Longwood geht’s abwärts«, sagte Spurgeon zu Adam.
    »Ich glaube, er ist ein großer Mann.«
    »Vielleicht war er ein großer Mann, aber jetzt kann er nicht praktizieren, weil er krank ist, und benimmt sich wie ein permanentes Ein-Mann-Todeskomitee. Dieser Bursche sieht jedesmal, wenn jemand stirbt, einen ärztlichen Kunstfehler. Man weiß genau, an welchem Vormittag die Exituskonferenz angesetzt ist, allein an der Art, wie der gesamte Stab unter hochgradiger Spannung steht.«
    »Wir bezahlen für sein Pech mit ein wenig zusätzlichem Stress. Das ist ein geringer Preis, wenn es ihn noch ein kleines bißchen länger in Gang hält«, sagte Adam.
    Ironischerweise war er zwei Stunden später bei Meomartino, als Longwood anrief, um eine Blinddarmoperation in Frage zu stellen, die beide vor zwei Tagen durchgeführt hatten. Der Chefchirurg war nicht überzeugt, daß die Operation nötig gewesen war. Er ordnete an, daß der Fall am nächsten Morgen bei der Hauptvisite vorgelegt werde.
    »Treten Sie den Fall nicht breit«, sagte Adam kurz angebunden zu Meomartino. »Die mikroskopischen Gewebsproben der Pathologie zeigen eine starke Entzündung und viele weiße Zellen. Der Fall liegt absolut klar.«
    »Ich weiß«, sagte Meomartino. »Ich habe die Objektträger gestern mit heimgenommen und sie eine Zeit lang im Mikroskop betrachtet. Oh, zum Teufel.«
    »Was ist?«
    »Ich habe vergessen, sie zurückzubringen. Wir werden sie bei der Erörterung des Falles zur Vorlage brauchen.«
    »Ich bin in zwei Stunden dienstfrei; dann muß ich sie wohl holen«, sagte Adam.
    »Würden Sie das tun? Nehmen Sie meinen Wagen.«
    »Nein, danke«, sagte Adam. Es machte ihm jedoch nichts aus, von Spurgeon einen Gefallen anzunehmen, und als er seine Schicht beendet hatte, fuhr ihn Robinson in dem Volkswagenbus durch den düsteren Winterabend quer durch die Stadt. Meomartino hatte ihnen die Route angegeben, aber im letzten Augenblick hatten sie Schwierigkeiten; die Gasse war eher ein Gäßchen, und Schneehaufen, die sich auf beiden Seiten türmten, machten es noch schmäler.
    »Schau, ich kann den Bus nicht allein hier stehen lassen und die Straße blockieren. Ich warte herunten auf dich«, sagte Spurgeon.
    »Gut.«
    Meomartino hat einen guten Geschmack und das Geld sich ihn zu leisten, dachte Adam neiderfüllt, als er läutete. Die umgebauten Stallgebäude ergaben ein reizendes Wohnhaus.
    Ein Dienstmädchen mittleren Alters öffnete die Tür.
    »Ja?«
    »Ist Mrs. Meomartino zu Hause?«
    »Ich glaube nicht, daß sie jemanden empfangen kann.« Er erklärte ihr seinen Auftrag.
    »Nun, in diesem Fall kommen Sie lieber herein« sagte sie zögernd. Er folgte ihr ins Haus, und da er nicht wußte, was sonst tun, in die Küche, wo ein kleiner Junge am Tisch saß und sein Abendbrot aß.
    »Hallo«, sagte Adam lachend, als er sich an die Weihnachtsmanngeschichte erinnerte. Es war leicht, Meomartino in dem Kind zu erkennen.
    »Hallo.«
    »Ich weiß nichts von irgendwelchen Glasplättchen«, sagte das Mädchen mürrisch.
    »Sie dürften bei seinem Mikroskop sein. Vielleicht kann ich sie finden.«
    »Im Arbeitszimmer«, sagte sie mit einer Kopfbewegung, als sie sich wieder dem Herd zuwandte. »Nicht die erste Tür, das ist das Schlafzimmer. Die zweite.«
    Es war ein hübsches Zimmer mit einem teuren Perserteppich und tiefen Lederfauteuils. Die Wände waren mit Bücherborden bedeckt. Die meisten Bücher waren gediegene medizinische Werke, aber es gab auch Biographien und geschichtliche Werke, eine Mischung aus englischen und spanischen Titeln. Sehr wenig Belletristik, mit Ausnahme einer kleinen Abteilung, die auch moderne Lyrik enthielt.
    Die Lyrik mußte seiner Frau gehören, dachte er und warf einen Blick auf die geschlossene Tür zwischen dem Schlaf und dem Arbeitszimmer.
    Die Glasplättchen standen direkt neben dem Mikroskop, einige lagen noch auf dem Tisch, und er steckte sie in die Schachtel zurück. Er wollte eben wieder gehen, als sich die Schlafzimmertür öffnete.
    Sie trug den Pyjama ihres Mannes, der ihr zu groß war. Ihr Haar war zerrauft, die Füße nackt, und vielleicht trug sie sonst Brillen und vermißte sie jetzt: sie sah ihn mit komisch schielenden Augen an. Der Gesamteindruck war wundervoll anziehend. Er registrierte, daß sie nicht zu den Frauen

Weitere Kostenlose Bücher