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Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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und seinen Fuß höher setzte. Er versuchte, geradeaus zu schauen, zum Horizont, aber die große untergehende Sonne war noch immer da, und sie erschreckte ihn, ein goldenes böses Auge – er hielt in seinem Aufstieg inne, hängte sich mit der Armbeuge fest um eine Sprosse und machte mit den Fingern das Zeichen der Teufelshörner, scutta mal occhio, pf, pf, pf – dann blickte er entschlossen hinauf und heftete seinen Blick auf die hohe Plattform, die, während er kletterte, mit tödlicher Langsamkeit immer größer wurde und näher rückte, die er aber endlich doch erreichte. Als seine Füße auf der Plattform standen, fiel ihm das Loslassen der Leiter und das Umdrehen sehr schwer, aber es gelang ihm.
    Die Höhe betrug, wußte er, nicht mehr als fünf Stockwerke, aber sie erschien ihm höher; zwischen ihm und der Wasseroberfläche lag nichts, und alle Gebäude der Umgebung hockten dicht am Boden. Er stand auf seinem Horst und schaute nach rechts, wo die Seepromenade endete, die Küste abfiel und einen Bogen beschrieb, und nach links, wo weit weg und tief unten winzige Wagen über die Gleise einer Hochschaubahn krochen.
    Hallo, Gott.
    »Los«, stieg die ungeduldige Stimme Bensons, des Managers, zu ihm herauf.
    Er trat hinaus.
    Die Doppelrolle war sehr leicht. Man hatte dafür viel mehr Zeit als vom vier Meter-Brett aus. Aber er hatte sich noch nie vorher durch einen so langen Fall steif gehalten. Er begann sich einzurollen, sowie seine Zehen das Wasser berührten. Im nächsten Augenblick war er nach vorn geglitten und landete schräg mit der rechten Hinterbacke auf Grund. Er setzte zwar hart, aber nicht zu hart auf. Dann richtete er sich auf, saß blasenwerfend und grinsend da, stieß sich von dem Zementboden ab und schoß an die Oberfläche.
    Kein Mensch schien beeindruckt zu sein, aber nach zwei Übungstagen begann er an der Show teilzunehmen, zweimal täglich.
    Der andere neue Mann, der Jensen hieß, erwies sich als prachtvoller Taucher, ein ehemaliger Angehöriger der Universitätsmannschaften in Exeter und in Brown. Er studierte Schriftstellerei an der Universität von Iowa und war unbezahlter Bühnenautor an einem nahegelegenen Provinztheater. Er gab Adam den Tip für eine billige Pension, wo sich in der Nacht Mäuse, laut wie Löwen, herumtrieben und es auch sonst noch Lärm und Balgereien gab, aber die Matratze war in Ordnung. Das gute Wetter hielt an, ebenso seine Nerven. Ein Mädchen vom Wasserballett mit wunderschönen Brüsten begann mit ihm zu liebäugeln, und er machte Pläne, sie an seinen Busen und vice versa zu nehmen. Er führte lange Gespräche über Eliot und Pound mit Jensen, mit dem er sich vielleicht befreunden würde. Er tauchte wie eine Maschine und dachte viel darüber nach, was er anfangen würde, wenn er als ungeheuer reicher Mann an die Schule zurückkehrte.
    Die Geschichten über Unglücksfälle erschienen ihm wie Fabeln. Am fünften Tag jedoch krümmte sich Jensen zu früh zusammen und landete auf dem Rücken im Becken. Als er auftauchte, war er weiß vor Schmerzen, konnte jedoch noch weggehen und sich selbst ein Taxi rufen, das ihn ins Krankenhaus brachte. Er kam nie wieder zu der Show zurück. Als Adam im Krankenhaus anrief, hieß es, sein Zustand sei ganz gut und er sei zur Beobachtung aufgenommen worden. Der nächste Tag war grau, aber ohne Regen, der Wind rüttelte an der Leiter und die Plattform schwankte. Die hoch oben stehen, werden von vielen Windstößen erschüttert. Shakespeare. Adam machte seine zwei Sprünge ohne Zwischenfall und war am nächsten Morgen erleichtert, daß die Sonne herausgekommen und der Wind verschwunden war. Am gleichen Abend machte er seinen ersten Sprung, fast ohne über ihn nachzudenken. In der zweiten Show erkletterte er die Leiter und stand im gelben Licht der großen Scheinwerfer auf der Plattform. Weit draußen im Meer enthüllten ihm die Lichter eines Fischdampfers dessen geheimnisvolle, ferne Anwesenheit, und die Lichter der Seepromenade lagen wie verstreute Juwelen in langer Reihe vor ihm.
    Du gottverdammter Narr, sagte er sich.
    Er hatte keine Angst. Aber plötzlich wußte er, daß er nicht springen würde. Das Geld, das er in diesem Sommer verdienen konnte, wäre nichts wert, wenn er sich derart verletzte, daß es ihn als Arzt beeinträchtigen oder verhindern würde, Chirurg zu werden. Es war sinnlos.
    Er drehte sich um und begann die Leiter hinunterzuklettern.
    »Fühlen Sie sich nicht wohl?« fragte Benson über das Mikrophon. »Wollen Sie,

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