Die Klinik
Schnitt. Adam stand mit dem Absaugapparat bereit, und der Behälter an der Wand begann wie ein Niagarafall zu tosen, als die peritonale Flüssigkeit aus der Bauchhöhle des Patienten in ihn gesogen wurde.
Ein Blick, und er wußte, daß er eine Bauchfellentzündung und Gangräne vor sich hatte. Kenders Hände kneteten und bewegten sich über den geschwollenen und entfärbten Eingeweiden, als streichelte er eine kranke Pythonschlange. »Rufen Sie Dr. Sack zu Hause an«, rief er einem Studenten im vierten Jahr zu. »Sagen Sie ihm, daß wir einen gangränösen Bauch haben, ganz hinunter bis zum Dickdarm. Fragen Sie ihn, ob er sofort mit seiner Ausrüstung ins Krankenhaus kommen kann.«
»Was für einer Ausrüstung?«
»Er weiß schon.«
Unter Kenders Anleitung injizierten sie ein Kontrastmittel in die Hauptschlagader des Bauches, das im Röntgen enthüllen würde, was im Blutkreislauf des Patienten vor sich ging, und es wurde noch ein Apparat hereingebracht, diesmal ein tragbarer Röntgenapparat.
Adam bemerkte, daß das Blut im Operationsgebiet sehr dunkel war. Die Oberarmmuskeln des Patienten begannen zu zucken wie bei einem Pferd, das Fliegen verjagt. »Es sieht aus, als habe er Schwierigkeiten mit dem Sauerstoff«, sagte er.
»Wie steht’s mit ihm?« fragte Kender den Anästhesisten.
»Blutdruck kaum der Rede wert. Das Herz verteufelt arhythmisch.«
»Säurewert?«
Spurgeon prüfte ihn. »6,9.«
»Stellt lieber Natriumbikarbonat bereit«, sagte Kender.
»Der Herzstillstand kann jeden Augenblick eintreten.«
Die gelben Kurven auf dem Kontrollschirm, deren jede ein Zusammenziehen des sterbenden Herzmuskels bedeutete, lebten immer seltener auf, die kleinen Lichtkämme erschienen als schwächere Linien mit niedrigeren Spitzen, bis schließlich, während sie hinsahen, die Kurven verschwanden.
»Mein Gott, er geht dahin«, sagte Spurgeon.
Kender begann mit seinem Handballen einen regelmäßigen, immer wieder aussetzenden Druck auf die Brustwand auszuüben. »Bikarbonat«, sagte er.
Adam injizierte es in eine Beinvene. Er beobachtete Dr. Kender.
Niederdrücken. Hochheben. Nieder.
Hoch.
Der regelmäßige Druck mit gestreckten Armen, der Körper des Chirurgen, der vor und zurückschaukelte, erinnerte ihn – woran? Dann fiel ihm seine italienische Großmutter ein, wie sie Teig für das hausgemachte Brot knetete. In der Küche (zerrissene Jalousien, verschossene gelb-weiße Vorhänge, Kruzifix auf dem Kaminsims, Il Giornale der letzten Woche auf der alten Singernähmaschine und der verdammte Kanarienvogel, der ständig trillerte); sie knetete das Brot auf einem großen alten Holzbrett mit den Kerben, die ständig mit weißem, hartgewordenen Makkaroniteig gefüllt waren, der dem abkratzenden Messer entgangen war. Mehl auf ihren braunen Armen. Ein sizilianischer Fluch für seinen Vater auf den Lippen unter dem leichten Bartanflug.
Zum Teufel, fragte er sich und versuchte seine Aufmerksamkeit wieder dem Mann auf dem Operationstisch zuzuwenden.
»Epinephrin«, sagte Kender.
Die diensthabende Schwester riß die Glasampulle heraus und kappte sie mit den Fingern. Adam zog mit einer Injektionsspritze das Hormon auf und injizierte es in eine andere Beinvene.
Los, du gottverdammter Muskel, sagte er stumm. Schlag doch.
Er blickte zu der OP-Uhr hinauf, die genauso stillstand wie das versagende Herz. Sämtliche Uhren in den OPs waren nutzlos. Eine Krankenhauslegende behauptete, sie seien jahrelang von einem alten Bezirksingenieur betreut worden, der wußte, wie man sie in Gang brachte, und als er in Pension ging, taten das auch die Uhren.
»Wie lange dauert es schon?« fragte er.
Eine der Schwestern, die nicht keimfrei sein mußte und daher ihre Armbanduhr tragen durfte, blickte kurz auf ihr Handgelenk.
»Vier Minuten und zehn Sekunden.«
O Gott. Nun, wir haben es versucht, wer immer du warst, dachte er. Er sah Kender an und wünschte, daß er mit seinen Bemühungen aufhörte. Nach vier Minuten ohne sauerstoffgeladenes Blut war das Gehirn nur noch ein Brei. Selbst wenn dieser Körper ins Leben zurückgezerrt werden sollte, würde er nie wieder denken oder fühlen; nie mehr wirklich leben.
Kender schien nicht gehört zu haben. Er schaukelte weiter vor und zurück, sein Handballen drückte die Brust zusammen und ließ sie wieder hochschnellen.
Wieder. Und wieder. Und…
»Dr. Kender?« sagte Adam schließlich.
»Was ist?«
»Es sind fast fünf Minuten.« Laß das arme Schwein gehen, wollte er
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