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Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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sagen.
    »Versuchen Sie nochmals Bikarbonat.«
    Noch eine Injektion in die Vene. Dr. Kender schaukelte weiter und handelte nach dem alten Spruch der amerikanischen Luftwaffe: No sweat, bombs away, never say die – Ruhig Blut, Bomben los, nie »sterben« sagen.
    Die Sekunden schwanden dahin.
    »Jetzt haben wir einen Herzschlag«, sagte der Anästhesist.
    »Adrenalin«, sagte Kender, als befehle er Adam, die Napalmbombe auszuklinken.
    Auf dem Kontrollschirm erschien eine Nova, dann eine zweite, und die kleinen Lichtkurven begannen zu marschieren; sie nahmen den alten Rhythmus wieder auf, der Muskel zog sich zusammen, erfrischt, pulsierend, und schlug wieder so, wie er es fast für immer vergessen hätte.
    Er ist auferstanden, dachte Adam.
    Dr. Sack kam mit zwei Kameras herein, eine für Objektträger, eine für Farbfilm.
    »Halten Sie den Schnitt weit auseinander«, befahl Kender. Adam tat es. Die Kamera surrte, und er, jetzt ein Filmstar, zuckte zurück.
    Es war nur ein Take, in wenigen Augenblicken hatten die Kameras ausgedient, und sie wurden wieder zu Chirurgen. Er sah zu, während sie das abdominale Ganglion herausschnitten und Medikamente injizierten, um den Muskelkrampf zu lösen und den Blutkreislauf wieder in Gang zu bringen. Der Darm war natürlich inoperabel. Sie nahmen sich die Mühe, den Bauch mit Drahtnähten zu schließen.
    Nach getaner Arbeit rieben Adam und Spurgeon das Feld mit Alkohol ab. Während Blut und Betadin weggewaschen wurden, erschienen langsam wieder die Buchstaben: »Lieber Gott, bitte nimm diesen Mann in den Himmel auf… seine Zeit in der Hölle hat er schon abgedient.«
    »Ich brauche ständig zwei Leute, um sein Herz in Gang zu halten«, sagte Kender soeben.
    Adam half den Patienten auf die Tragbahre heben. Dann zog er die Stoffmaske von seinem schwitzenden Gesicht und sah ihnen nach, als sie mit einem Anästhesisten, der den Sack des fahrbaren Sauerstoffgeräts betätigte, um für den Patienten zu atmen, das Stück vegetabilen Daseins wegrollten.
     
    Es gab Tage, an denen Adam Chirurgie im Dienst des Lebens praktizierte. Die Operationen, die er durchführte, waren für die Lebenden gedacht, Vorgänge, die ihr Leben leichter, ihr Dasein behaglicher, schmerzfrei machen würden. Es gab andere Tage, an denen er Chirurgie gegen Tod und Verzweiflung praktizierte, an denen er die Menschenschale öffnete, um Zellen zu entdecken, die zu einer Häßlichkeit entartet waren, die man nur wegsperren und verstecken konnte, und er arbeitete verzweifelt, um Gehirn und Hände zu koordinieren, in dem Wissen, daß selbst sein Möglichstes unzulänglich war, um großes Leiden und schließlich den Tod zu verhindern.
    Heute war so ein Tag; er spürte es.
    Spät nachmittags wurde Mr. Stratton in die chirurgische Station heruntergebracht. Mit ihm kam ein Mann, zweifellos der Rechtsanwalt, dessen Erlaubnis zur Amputation nötig war. Den Mann trug einen ausgebeulten braunen Anzug; sein Hemdkragen war schmutzig und der Krawattenknoten viel zu groß; er hatte ein müdes Gesicht, das zu seinem Hut paßte, der um das Schweißband herum fleckig war. Er sah durchaus nicht wie Melvin Belli oder F. Lee Bailey aus. Er stand im Gang vor dem OP und sprach leise mit Mr. Stratton, bis Adam ihn bat, wegzugehen, was er schnell und ohne den Versuch tat, seine Dankbarkeit über diese Bitte zu verhehlen.
    »Hallo, Mr. Stratton«, sagte Adam. »Wir werden uns Ihrer gut annehmen.«
    Der Mann schloß die Augen und nickte.
    Helena Manning, Facharztanwärterin im ersten Jahr, kam herein, gefolgt von Spurgeon Robinson. Adam beschloß, ihr das Erlebnis einer Amputation zu schenken. Da nur eine Schwester Dienst hatte, bat er sie, die Hilfsarbeiten zu übernehmen, und fragte Spurgeon, ob es ihm etwas ausmache, die OP-Schwester zu spielen. Im Waschraum gab es eine weitere erheiternde Note. Der Heißwasservorrat konnte mit dem alten Rohrsystem nicht Schritt halten; jetzt gaben die Heißwasserhähne, wie das mehrmals in der Woche vorkam, oft eine ganze Stunde lang nur eisigkaltes Wasser her. Keuchend und fluchend schrubbten sich die drei Chirurgen Hände und Arme die vorgeschriebenen zehn Minuten lang unter dem eisigen Strom und gingen dann rücklings, die gefühllos gewordenen Hände hochhaltend, durch die Schwingtüren in den OP.
    Die diensthabende Schwester war verhältnismäßig neu und, wie sie zitternd gestand, nervös, weil sie zum erstenmal allein im OP Dienst tat.
    »Das macht nichts«, sagte Adam, innerlich stöhnend.
    Er sah

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