Die Klinik
zu, wie Spurgeon das Amputationsbesteck vorbereitete und die Instrumente in säuberlichen glitzernden Reihen anordnete, die Fäden und das Nahtmaterial so unter ein steriles Tuch steckte, daß sie der Reihe nach herausgezogen werden konnten. Die Ärztin rückte den Patienten zurecht und begann unter den Augen des Anästhesisten eine Rückenmarksinjektion zu geben.
Mr. Stratton stöhnte.
Helena Manning schrubbte das Bein hinunter und legte mit Adam zusammen die Tücher zurecht.
»Wo?« fragte er sie.
Mit ihrem behandschuhten Zeigefinger zeichnete sie den Verlauf des Einschnitts unterhalb des Knies.
»Gut. Schneiden Sie lange vordere und kurze hintere Hautlappen, damit die Geschichte ordentlich vernarbt und er es leichter hat, wenn er wieder zu gehen anfängt. Los.«
Spurgeon reichte ihr das Messer und begann Adam Klemmen zu reichen, der die Blutgefäße ebenso schnell abklemmte, wie sie sie durchschnitt. Sie arbeiteten gleichmäßig weiter, dann hielten sie inne, um die Blutgefäße abzubinden und die Klemmen zu entfernen.
»Richten Sie das Licht«, sagte Helena zur Schwester.
Die Schwester stellte sich auf einen Hocker und richtete die Lampe über dem Operationstisch. Als diese um ihre Achse schwang, sah Adam, wie ein Schauer feinen Staubes von der Deckenbefestigung herabschwebte und auf das Operationsfeld niederging. Die OP-Lampen waren ebenso wie die OP-Uhren und die Heißwasserversorgung Überbleibsel aus einer Vergangenheit, die das Krankenhaus einem anderen Zeitalter zuordneten. Seit er aus Georgia gekommen war, hatte er sich immer wieder gefragt, wie ernsthafte Universitätschirurgen soviel Zeit und Geduld für Abbürsten, Desinfizieren und andere aseptische Einzelheiten aufwenden konnten und dann nachlässig das Operationsfeld mit Staub berieseln ließen, sooft die Lampe gerichtet wurde.
Helena verrichtete schlampige Arbeit, sie schnitt zu tief.
»Nein«, sagte er. »Sie sollen die linea aspera höher legen. Wenn Sie die Beinhaut hinaufschieben, wird sie verknöchern und einen Sporn bilden.«
Sie schnitt noch einmal, diesmal höher, wodurch die Amputationszeit um Minuten verlängert wurde. Die Klimaanlage machte ein schwirrendes Geräusch. Der Kontrollapparat ließ sein einschläferndes Biip-biip-biip hören. Adam spürte das erste sanfte Streicheln des Schlafes und zwang sich zur Konzentration. Er dachte voraus und nahm vorweg, was die Chirurgin brauchen würde.
»Wollen Sie uns etwas reinen Alkohol besorgen?« bat er die Schwester.
»O Himmel.« Sie blickte verstört herum. »Wozu brauchen Sie den?«
»Um ihn in den Nerv zu injizieren.«
»Oh.«
Die Ärztin hatte die Oberschenkelarterie lokalisiert und abgebunden. Jetzt kehrte die Schwester rechtzeitig mit dem Alkohol zurück. Helena fand den Ischiasnerv, klemmte ihn ab, fixierte ihn mit einer Schlinge, verband ihn und injizierte den Alkohol.
»Würden Sie bitte das Knochenwachs holen?« bat Adam die Schwester.
»Aha.« Vor eine neue Herausforderung gestellt, verschwand die Schwester wieder.
Adam reichte Helena die Säge. Hier wurde zu seinem großen Entzücken die Ärztin zur Frau. Sie wußte nicht, wie sie die Säge halten sollte. Sie ergriff sie zimperlich und schob sie sehr würdevoll, mit wackelndem Blatt, auf dem Knochen vor und zurück.
»Sie haben in der Untermittelschule nie einen Fußschemel für Ihre Mutter gemacht«, sagte er. Sie funkelte ihn an und sägte mit zusammengebissenen Zähnen weiter.
Die Schwester kam zurück. »Wir haben kein Knochenwachs.«
»Was benützen Sie, um Nähte zu wachsen?«
»Wir ölen Nähte.«
»Nun, verdammt, sie wird aber Knochenwachs brauchen. Sehen Sie in der Orthopädischen nach.« Es war das sichere Ende ihrer herzlichen beruflichen Beziehung, aber sie ging. In wenigen Minuten kam sie damit zurück.
»Kein Knochenwachs?« sagte er lächelnd.
»Nun, oben war keines.«
»Ich danke Ihnen vielmals.«
»Bitte sehr«, sagte sie kühl und ging.
Helena nähte den Lappen sehr genau, zweifellos hatte sie viel Erfahrung mit Puppenkleidernähen gehabt.
»Mr. Stratton«, sagte der Anästhesist soeben, »Sie können jetzt aufwachen. Wachen Sie auf, Mr. Stratton.«
Der Patient öffnete die Augen. »Alles ging einfach wunderbar«, sagte Adam zu ihm. »Es wird Ihnen prima gehen.« Mr. Stratton starrte mit zusammengekniffenen Augen zur Decke des OP hinauf, in die weihnachtlichen Gedanken eines einbeinigen Lastwagenfahrers vertieft, dessen Frau in einem anderen Krankenhaus an einer so schweren
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