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Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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daß du darüber nachdenkst.«
    »Schau, Liz…«
    »Bitte. Nur darüber nachdenken.«
    Sie rollte sich herum und küßte ihn, ihr Körper ein Sommer, in dem er spielte, Honigtau, Brombeeren, Pfirsichflaum, Moschus.
    »Ich werde dir den Palast der Cortez zeigen«, sagte sie.
     
    Am frühen Sonntagabend brachte Kender den Peritonitisfall wieder in den OP, und als sie ihn zum zweitenmal aufmachten, entdeckten sie, daß die Maßnahmen vom Samstagmorgen offensichtlich den Blutkreislauf angeregt hatten. Es war bereits genügend Gewebe frei von Gangräne, um eine Rückoperation zu erlauben; sie entfernten den größten Teil des Dünndarms und einen Teil des Dickdarms. Während der ganzen Operation schlief der Patient den Schlaf des permanent Komatösen.
    Beim Frühstück am Montag morgen hörte Adam, daß das Herz des Mannes neuerlich zweimal versagt hatte. Er erhielt eine massive Therapie, alles, was Kender tun konnte, um ihn technisch am Leben zu erhalten. Mindestens zwei Ärzte waren ständig bei ihm, beobachteten die Lebenszeichen, verabreichten ihm Sauerstoff und Medikamente, atmeten für ihn, tropften lebenserhaltende Flüssigkeiten in seine Venen.
    An diesem Nachmittag schaute Adam in die Küche der chirurgischen Station und sah Kender in einem Sessel in einer Ecke sitzen, schlafend oder einfach nur sehr ruhig mit geschlossenen Augen. Adam schenkte sich so geräuschlos wie möglich eine Tasse Kaffee ein.
    »Schenken Sie mir auch eine ein, ja?« Adam reichte sie dem Stellvertretenden Chef der Chirurgie, und sie tranken schweigend. »Ein komischer Beruf, diese Chirurgie«, sagte Kender. »Ich habe mich jahrelang mit Transplantationen herumgeschlagen. Nächstes Jahr wird ein neuer Lehrstuhl für Chirurgie an der Medizinischen Schule geschaffen. Sie wollen ihn mit einem Transplantationsspezialisten besetzen, aber ich werde nicht auf ihm sitzen. Ich werde Chefchirurg sein.«
    »Bedauern Sie es?« fragte Adam.
    Kender grinste müde. »Nicht wirklich. Aber ich lerne allmählich, daß Dr. Longwood keinen leichten Job hatte. Ich habe alle seine Fälle übernommen.«
    »Ich weiß«, sagte Adam.
    »Kennen Sie auch die Sterblichkeitsrate für die Fälle Dr. Longwoods und Dr. Kenders zusammengerechnet in den letzten drei Monaten?«
    »Sie muß hoch sein, sonst würden Sie nicht fragen. Fünfzig Prozent?«
    »Sagen Sie ruhig hundert«, erwiderte Kender leise. Er griff in seine Tasche und zog eine Zigarre heraus. »In drei Monaten. Das ist eine lange Zeit ohne einen einzigen überlebenden Patienten. Ein Haufen Operationen.«
    »Wie kommt das?«
    »Weil, gottverdammt, die leichten an euch Burschen gehen. In einem Haus wie diesem bekommt sie der Oberste erst, wenn sie bereits arschtief in der Grube sitzen.«
    Zum erstenmal erkannte Adam, daß das stimmte. Gott.
    »Nächstesmal, wenn ich einen Bruch oder einen Blinddarm bekomme, bitte ich Sie, mir zu assistieren.«
    Kender lächelte. »Dafür wäre ich dankbar«, sagte er.
    »Sehr.« Er zündete die Zigarre an und blies den Rauch zur Decke. »Wir haben eben den Burschen mit den gangrösen Eingeweiden verloren«, sagte er.
    Adams Mitgefühl zerrann. »Würden Sie nicht sagen, daß wir ihn in Wirklichkeit schon während des ersten Herzstillstands von sechs Minuten verloren haben?«
    Kender sah ihn an. »Nein«, sagte er. »Nein, das würde ich nicht sagen.« Er stand auf und ging zum Fenster. »Sehen Sie jenes Backsteinmausoleum gegenüber?«
    »Das Tierlabor?«
    »Es wurde vor einer teuflisch langen Zeit erbaut, noch vor dem Bürgerkrieg. Oliver Wendell Holmes sezierte einst Katzen in jenem Gebäude.«
    Adam wartete unbeeindruckt.
    »Nun, Sie und ich und Oliver Wendell Holmes sind nicht die einzigen, die dort gearbeitet haben. Seit langer Zeit haben sich Dr. Longwood und Dr. Sack, und einige andere Hunde vorgenommen, die an Gangräne in den Eingeweiden starben, und indem sie mit ihnen dasselbe taten wie wir mit diesem Burschen in unserem OP, konnten sie einige dieser Hunde retten.«
    »Das hier aber war ein Mensch«, sagte Adam. »Kein Hund.«
    »In den letzten zwei Jahren hatten wir sechzehn solcher Patienten. Jeder von ihnen starb, aber jeder hat länger gelebt als sein Vorgänger. Dieser Mann lebte achtundvierzig Stunden lang. Die Experimente haben sich bei ihm ausgewirkt. Sie verwandelten einen inoperablen gangränösen Zustand in einen, den wir chirurgisch behandeln konnten. Wer weiß – der nächste Patient wird vielleicht, falls wir Glück haben, keinen Herzstillstand mehr

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