Die Klinik
zu schlafen. Noch vor einem Jahr hätte sie vor Sorge schlaflose Nächte verbracht und wäre zum Doktor gerast. Jetzt sagte sie sich energisch, daß das alles hinter ihr lag, daß sie kein Hypochonder mehr war.
Sie glaubte, der Winter sei für sie zuviel gewesen und jetzt habe sie die Frühjahrsmüdigkeit gepackt. Sie sagte weder Adam noch dem netten jungen Psychiater am Beth Israel etwas davon, der ihr einmal wöchentlich zuhörte, den interessanten Geschichten von der Ehe ihrer Eltern lauschte und gelegentlich mit schläfriger, fast teilnahmsloser Stimme eine Frage stellte; manchmal brauchte sie Wochen zu einer einzigen Antwort, jedesmal eine unglaublich schmerzhafte Geburt, wenn sie sich durch Narbengewebe wühlte, von dessen Vorhandensein Gaby nicht einmal etwas geahnt hatte. Sie begann ihre Eltern weniger zu hassen und sie mehr zu bemitleiden. Sie schwänzte einige Vorlesungen und wartete, bis milderes Wetter die öffentlichen Gärten und kleinen privaten Vorgärten auf dem Hügel verändern und den Sträuchern, Blumen und ihr neue Kraft bringen würde. In der Wohnung begann die Avocadopflanze gelb zu werden, und sie nährte sie mit Dünger und Wasser und kränkte sich über sie. Als sie das Bett machte, schlug sie sich das Schienbein an und heimste einen blauen Fleck ein, groß wie eine Steckdose; er wollte nicht vergehen, obwohl sie ihn mit Cold Cream massierte.
»Fühlst du dich wohl?« fragte Adam sie eines Morgens.
»Klage ich denn?«
»Nein.«
»Natürlich fühle ich mich wohl. Du?«
»Mir ist es noch nie besser gegangen.«
»Gut, Darling«, sagte sie stolz. Aber als die Zeit ihrer Periode kam und die Periode ausblieb, wußte sie, starr vor Gewißheit, was sie plagte.
Irgendwie hatte die verdammte Pille versagt, und sie saßen in der Falle.
Trotz ihrer großen Müdigkeit konnte sie nicht schlafen, und am Morgen – ein Syndrom von Ereignissen, die sie hatte vermeiden wollen – rief sie den Gesundheitsdienst der Studenten an und ließ sich einen Termin für eine Untersuchung geben.
Der Arzt hieß Williams. Er war grauhaarig, etwas beleibt und trug zwei dicke Zigarren in der Brusttasche.
Viel mehr Vaterfigur als ihr eigener Vater, dachte sie. Als er sie nach ihren Beschwerden fragte, fiel es ihr daher ganz leicht, ihm ihren Verdacht auf eine Schwangerschaft auszusprechen; das Einleitungsgeplauder fiel weg.
Er war seit neunzehn Jahren College-Arzt und hatte vorher als Arzt an einer privaten Vorbereitungsschule für Mädchen gearbeitet. In einem Vierteljahrhundert hatte er es noch immer nicht gelernt, diese Mitteilung ohne Mitgefühl aufzunehmen, wohl aber hatte er sich einigermaßen an sie gewöhnt.
»Nun, wir werden sehen«, sagte er.
Als ein Tropfen ihres Urins – vermischt mit einem Tropfen Antiserum und zwei Tropfen Antigen – auf einem Glasplättchen vor ihren Augen in zwei Minuten agglutinierte, konnte er ihr sagen, daß sie nicht Mutter werden würde.
»Aber meine Periode«, sagte sie.
»Manchmal ist sie wie ein Lokalzug. Fassen Sie sich in Geduld, einmal wird sie ja doch eintreffen.«
Sie lächelte ihn voll törichter Erleichterung an und wollte gehen, aber er hob die Hand. »Wohin laufen Sie?«
»Doktor«, sagte sie, »ich komme mir so dumm vor. Ich gehöre zu jenen Idioten, die ihr Ärzte manchmal galant einen überängstlichen Patienten nennt. Ich dachte, ich sei darüber hinweg, bei jedem Schatten an der Wand aufzukreischen, aber ich fürchte, ich bin’s doch nicht.«
Dr. Williams zögerte. Sie war früher schon öfter bei ihm gewesen, und er wußte, daß sie die Wahrheit sagte; ihre Krankengeschichte auf seinem Schreibtisch war von Berichten über eingebildete Leiden angeschwollen, die bis zu ihrem ersten Semester vor sechs Jahren zurückreichten.
»Erzählen Sie mir, wie Sie sich sonst in letzter Zeit gefühlt haben«, sagte er. »Ich glaube, wenn Sie schon einmal da sind, könnten wir genauso gut ein paar Tests machen.«
»Nun«, sagte sie fast eine Stunde später zu ihm. »Kann ich zu meinem Psychiater gehen und beichten, daß ich doch wieder rückfällig geworden bin?«
»Nein«, sagte er. »Sie sind müde, weil Sie anämisch sind.«
Sie empfand fast etwas wie Triumph: anscheinend war sie also doch nicht bloß eine dumme Neurotikerin.
»Was muß ich tun? Viel rohe Leber essen?«
»Ich möchte noch eine Untersuchung machen«, sagte er und reichte ihr ein Uringlas.
»Muß ich mich ausziehen?«
»Bitte.«
Er rief die Schwester, und gleich darauf fühlte
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