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Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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billiger Chirurg auf, der die Methode anwandte, und näselte: ,Tjaa, un’ alle drei sind meine Patienten.’« Adam grinste. »Ein großer Ruf, ein lausiger Lehrer. Nachdem ich meine Zeit meist damit verbrachte, zuzusehen, sagte ich mir, zum Teufel damit, und kam her, um Chirurgie statt Tiraden zu lernen. Longwood kann sich mit Hostvogels Glanz nicht vergleichen, aber er ist ein phantastischer Lehrer.«
    »Er hat mir bei der Exituskonferenz einen höllischen Schrecken eingejagt.«
    »Nun, Gerüchten zufolge ist das kein Theater. Dieser chinesische Facharztanwärter – Lee? – erzählte mir, die Tradition in diesem Krankenhaus gehe Jahre zurück, als Longwoods Vorgänger, Paul Harrelmann, gegen Kurt Dorland um den Posten des Chefarztes kämpfte. Sie trugen ihre Rivalität im Komitee aus, forderten einander heraus, debattierten, stichelten, verlangten eine Rechtfertigung der jeweiligen Methode. Schließlich erhielt Harrelmann den Posten, Dorland ging und wurde – natürlich – in Chicago berühmt. Aber sie hatten gezeigt, daß durch das Todeskomitee der Stab veranlaßt wurde, auf chirurgischem Gebiet das Beste zu geben.« Silverstone schüttelte den Kopf. »Es sind keine zahmen Leute. Habe ich auch nicht erwartet.«
    Spurgeon zuckte die Achseln. »Es ist nichts Einzigartiges. Selbst ohne jemand wie Longwood sind es nicht nur die Neuen, die während der Sitzung strammstehen müssen. Diese alten Berufshasen wissen recht gut, wie sie einander zur Sau machen können.« Er sah Silverstone neugierig an. »Es klingt, als wäre es Ihnen neu. Hielten Sie dort unten im Land der Pfirsichpfuscher und Lester Maddox’ keine Exituskonferenzen ab?«
    »O doch. Vielleicht macht man dort eine Pflichtautopsie zu Lehrzwecken. Ein Kerl namens Sam Mayes, Hostvogels Unterbefehlshaber, sitzt mit zwei, drei Ärzten herum, redet darüber, daß Jerry Winters’ Sohn drüben in Florida in die Medical School aufgenommen wurde, vielleicht fluchen sie über die Kampftrupps der sozialisierten Medizin in Washington und machen eine Bemerkung über den wohlgeformten Hintern einer neuen Schwester. Dann gähnen sie, einer sagt: ,Zu schlimm für diesen armen Kerl, Tod natürlich unvermeidlich!’, alle nicken, gehen heim und vögeln ihre Frauen.«
    Sie schwiegen einen Augenblick. »Mir gefällt es besser so, wie es hier ist«, sagte Spurgeon schließlich. »Es ist zwar weniger bequem – ja, es jagt mir einen Heidenschrecken ein –, aber es läßt uns bestimmt nicht abstumpfen; vielleicht garantiert es uns, daß wir nicht zu dem werden, was die Öffentlichkeit allmählich von den Ärzten denkt.«
    »Und das wäre?«
    »Sie wissen doch – Cadillacfahrer. Feiste Burschen. Reiche Spießer.«
    »Sch… auf die Öffentlichkeit.«
    »Leichter gesagt als getan.«
    »Was weiß die schon, was es heißt, sich einen Weg in die Medizin zu erzwingen? Ich bin sechsundzwanzig. Ich war sechsundzwanzig Jahre lang bettelarm. Ich persönlich freue mich auf den längsten, teuersten, luxusärschigsten Cadillac, der für Geld zu haben ist. Und auf viele andere Dinge, materielle Dinge, die ich mir mit dem Geld verschaffen werde, das ich als Chirurg verdiene.«
    Spurgeon sah ihn an. »Teufel, wenn Sie diese Dinge haben wollen, brauchen Sie sich nicht mit einer langen Spezialausbildung herumquälen. Sie haben Ihre Spitalspraxis hinter sich. Sie können schon morgen hinausgehen und Ihr gutes Geld verdienen.«
    Adam schüttelte lächelnd den Kopf. »Ah, da steckt der Irrtum. Gutes, aber nicht vieles. Was in dieser Welt wirklich viel Geld bedeutet, ist das Facharzt-Diplom des Medical Board. Und um das zu erlangen, braucht es Zeit. Daher investiere ich diese Zeit. Für mich wird das kommende Jahr die ärgste Selbstfolterung sein, sozusagen die letzten angestrengten Augenblicke vor dem Orgasmus.«
    Spurgeon mußte über das Bild grinsen. »Wenn Sie ein paarmal vor dieses Todeskomitee gestellt werden, können Sie ins Kloster gehen«, sagte er.
    Sie tranken wieder, dann deutete Adam mit der Bierdose auf die Gitarre. »Sie spielen dieses Ding?«
    Spur hob sie auf und klimperte einige Takte. »Oh, ich wollt’, ich wär’ im Baumwolland…«
    Adam grinste. »Verfluchter Lügner.« Einige Häuserblocks weiter heulte die Sirene eines Krankenwagens; der einsame, todverkündende Laut verstärkte sich, je näher er kam.
    Als er verklungen war, kicherte Spurgeon. »Heute sprach ich mit einem Krankenwagenfahrer, einem netten bierbäuchigen Schwindler namens Meyerson, Morris Meyerson.

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