Die Klinik
Dieser Lehrstuhl ist längst überfällig.«
»Der Harland-Mason-Longwood-Lehrstuhl für Chirurgie«, sagte Greene und genoß den Titel wie den Brandy.
»Der Frances-Sears-Longwood-Lehrstuhl«, sagte Dr. Longwood.
Greene nickte. »Das ist sehr nett. Es hätte Frances gefallen.«
»Da bin ich nicht so sicher. Ich glaube eher, es hätte sie in Verlegenheit gebracht«, sagte er. »Ich will, daß ihr versteht, daß es nicht das Budget der Abteilung schmälert, Gilbert. Das wäre durchaus nicht der Zweck des Geschenks. Ich will etwas von den Geldern, die dadurch freiwerden, nutzbar machen.«
»Wie?« sagte Greene vorsichtig.
»Einmal um eine neue chirurgische Dozentenstelle zu finanzieren. Wir haben unseren eigenen Leuten an der Fakultät zu keiner Weiterentwicklung verholfen. Ich glaube, wir sollten wirklich damit beginnen, und zwar verdammt bald.«
Greene nickte nachdenklich. »Das klingt vernünftig. Hast du einen bestimmten Kandidaten im Auge?«
»Eigentlich nicht. Meomartino vielleicht, aber ich weiß noch nicht, ob er daran interessiert ist. Und ein junger Bursche namens Silverstone, der erst vor kurzem zu uns gekommen ist und äußerst fähig zu sein scheint. Wir müssen uns nicht unbedingt schon jetzt entscheiden. Das ist Sache der Abteilung. Wir können die Augen offen halten und uns durch den Ernennungsausschuß den Besten, der verfügbar ist, rechtzeitig im Juli sichern.«
Greene erhob sich, um zu gehen. »Wie geht es dir wirklich, Harland?« fragte er, als sie einander die Hand reichten.
»Fein. Ich verständige dich, wenn es sich ändert«, sagte er; er wußte, daß Greene regelmäßig Berichte über seinen Gesundheitszustand erhielt.
Der Vorsitzende des Verwaltungsrates nickte. Er zögerte. »Ich dachte erst unlängst an jene Samstagnachmittage, die wir immer draußen im Bauernhof verbrachten«, sagte er. »Es waren gute Zeiten, Harland. Wirklich herrlich.«
»Ja«, sagte Dr. Longwood erstaunt. Ich muß viel schlechter aussehen, als ich gedacht habe, wenn sich Gilbert so viel Gefühl abringt.
Als Greene gegangen war, ließ er sich wieder in seinen Sessel fallen und dachte an die Sommernachmittage, an denen er als junger Konsiliarchirurg Nachmittagsvisiten machte und dann drei Wagenladungen Leute – Hausärzte, Angehörige des Stabs, gelegentlich einen Treuhänder – zu dem Bauernhof in Weston brachte, wo sie auf einem holprigen Wiesenabhang übermütig Ball spielten, bis es Zeit für das samstägliche Abendessen war – Würstchen, gebackene Bohnen und Schwarzbrot –, das Frances zubereitet hatte.
Es war nach einem dieser schönen Samstagnachmittage, als sie krank geworden war. Er hatte sofort gewußt, daß es der Blinddarm war, und daß noch viel Zeit blieb, um sie in sein eigenes Krankenhaus zu bringen.
»Wirst du ihn selbst herausnehmen?« hatte sie gefragt, trotz der Schmerzen und der Übelkeit lächelnd, weil es so verdammt komisch war, eine seiner Patientinnen zu sein.
Er schüttelte den Kopf. »Harrelmann. Ich werde dabei sein, Liebling.« Er wollte sie nie selbst operieren. Nicht einmal einen Blinddarm.
Im Krankenhaus hatte er sie zwecks Vorbereitung dem jungen Puertorikaner, dem Spitalsarzt Samirez, übergeben.
»Meine Frau ist gegen Penicillin allergisch«, hatte er gesagt, für den Fall, daß sie vergaß, es zu erwähnen.
Er hatte es noch zweimal wiederholt, bevor er sie geküßt hatte und davongeeilt war, Harrelmann zu suchen. Später hatten sie entdeckt, daß der Junge fast kein Englisch konnte. Er hatte keine Krankengeschichte von Frances aufgenommen, weil er weder Fragen stellen noch Antworten verstehen konnte. Das einzige Wort, das klar zu ihm durchgedrungen war, war offensichtlich »Penicillin«, und pflichtgetreu hatte er ihr 400000 Einheiten intramuskulär gegeben. Noch bevor Harland Dr. Harrelmann auch nur gefunden hatte, hatte Frances einen anaphylaktischen Schock erlitten und war tot.
Obwohl seine Freunde versucht hatten, ihn von der Exituskonferenz fernzuhalten, hatte er ihr beigewohnt und auf der Anwesenheit eines Dolmetschers bestanden, damit Dr. Samirez jedes Wort verstehen konnte. Unter Harrelmanns aufmerksamen, analysierenden Augen hatte er den Jungen rücksichtsvoll und mit großer Selbstbeherrschung behandelt. Aber er war unbarmherzig gründlich gewesen. Einen Monat nach dem Schuldspruch des Komitees, nachdem Dr. Samirez seine Spitalspraxis aufgegeben hatte und in seine Inselheimat zurückgekehrt war, hatte Dr. Harrelmann Harland zum Mittagessen eingeladen
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