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Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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strömten im Dampf der Lauge über. Ein Krug mit Buttermilch stand auf dem Tisch, Calvin setzte sich nieder und trank drei volle Gläser, ohne etwas zu sagen. Dann legte er ein Fünfcentstück und ein Zehncentstück auf den Tisch, um die Erfrischung zu bezahlen, und begann zu reden. Er erzählte ihr von seinen Plänen für den Friedhof Schattenblume, von den schönen Grabstellen, größer als die irgendeines Weißen; von den Singvögeln in den Tannen und auch von den großen Katzenwelsen im Fluß, die, wie er irgendwie wußte, dort sein mußten, obwohl er sie nicht gesehen hatte.
    »Es nützt nichts, Junge«, sagte sie. »Mein Begräbnisgeld ist weg.«
    »Du mußt doch etwas Geld haben. Du hast Pensionsgäste.«
    »Nicht wirklich Geld, das ich entbehren könnte. Nicht einmal fürs Begräbnis.«
    »Nun, schau her.« Er berührte die Münzen, die er auf den Tisch gelegt hatte. »Du hast das hier.«
    »Fünfzehn Cent? Du wirst mir eine Begräbnisstätte für fünfzehn Cent geben?«
    »Hör zu«, sagte er. »Rück jede Woche mit fünfzehn Cent heraus, und die Grabstelle gehört dir, jetzt, sofort.«
    »Mann«, sagte sie, »was ist, wenn ich in drei Wochen sterbe?«
    »Das wäre ein böser Verlust.«
    »Und was ist, wenn ich nie sterbe?«
    Er lächelte. »Dann werden wir beide glücklich sein, Schwester. Aber du weißt, daß alle Menschen eines Tages sterben müssen. Stimmt’s?«
    »Das stimmt wirklich«, sagte sie.
    Er verkaufte ihr zwei weitere Parzellen, je eine für ihre beiden Töchter. »Hast du Freundinnen, die ihr Begräbnisgeld genauso wie du verloren haben, als die Bank zusammenkrachte?«
    »Aber sicher. Eine Grabstelle für fünfzehn Cent! Ich kann es kaum glauben.«
    »Gib mir ihre Namen, ich werde sie besuchen«, sagte Calvin. Das war der Auftakt zur Lebensversicherungsgesellschaft American Eagle.
     
    Spurgeon erinnerte sich an den Tag, an dem Mammi Calvin heimbrachte. Er saß im Zimmer und machte Hausaufgaben, als der Schlüssel in der versperrten Tür knirschte, und er wußte, das mußte Mammi sein. Er stand auf, um sie zu begrüßen, und als sich die Tür öffnete, war ein Mann bei ihr, nicht groß, mit beginnender Glatze und silbergefaßter Brille, spöttischen braunen Augen, die ihn geradewegs ansahen, ihn abschätzten, ihn beurteilten, und denen offensichtlich gefiel, was sie sahen, weil der Mann lächelte, Spurgeons Hand nahm und sie mit einem sicheren, trockenen Griff drückte.
    »Ich bin Calvin Priest.«
    »Der Präsident?«
    »Was? Oh.« Er lachte. »Ja.« Er blickte sich langsam im Zimmer um, sah die Wasserflecken an der Decke, die düstere Tapete, die zerbrochenen Möbel.
    »Hier können Sie nicht mehr wohnen«, sagte er zu ihr. Ihre Stimme brach. »Mr. Priest«, flüsterte sie. »Sie haben eine falsche Vorstellung von mir. Ich bin nichts als ein einfaches, gewöhnliches farbiges Mädel. Ich bin nicht einmal eine wirkliche Sekretärin. Den größten Teil meines Lebens war ich Kellnerin.«
    »Sie sind eine Dame«, sagte er. Wenn Roe-Ellen die Geschichte für den Rest ihres Lebens immer wieder erzählte, sagte sie stets, der genaue Wortlaut sei gewesen: »Sie sind meine Dame«, Don Quixote und Dulcinea.
    Weder Spurgeon noch Calvin widersprachen ihr je.
    In der folgenden Woche hatte Calvin beide in einer Wohnung in Riverdale untergebracht. Sie mußte ihm eine Menge über sie beide erzählt haben. Als sie hinkamen, stand in einem eisgefüllten Champagnerkübel eine Flasche Borden’s Grade-A auf dem Speisezimmertisch neben einem Glas mit Gristede’s Honig.
    »Du meinst, wir haben’s geschafft, Mammi? Ist es das?« fragte Spurgeon.
    Roe-Ellen konnte ihm nicht antworten, aber Calvin rieb den wolligen Schädel. »Du hast den Fluß überquert, mein Sohn«, sagte er.
    Eine Woche später heirateten sie und fuhren für einen Monat auf die Virgin Islands. Eine dicke, fröhliche Frau namens Bessie McCoy blieb bei Spurgeon. Sie löste den ganzen Tag Kreuzworträtsel, kochte feine Mahlzeiten und ließ ihn in Ruhe, außer einer gelegentlichen Frage nach ausgefallenen Wörtern, die er nie beantworten konnte.
    Als die Jungvermählten zurückkehrten, widmete Calvin mehrere Wochen der Suche nach einer guten Privatschule für Spurgeon, und entschied sich schließlich für Horace Mann, eine sehr gute liberale Vorschule, die nicht weit von dem Apartmenthaus in Riverdale lag, und nach den Aufnahmeprüfungen und -gesprächen wurde Spurgeon zu seiner ungeheuren Erleichterung angenommen.
    Sein Verhältnis zu Calvin war

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