Die Knoblauchrevolte
sich zusammen und rutschten am Stamm nach unten, bis sie auf dem Boden saßen, die Arme schmerzhaft nach hinten verdreht.
3
Unter den Bäumen, an die sie gefesselt waren, gab es ein wenig Schatten. Doch dann wanderte der Schatten nach Osten, und die im Westen stehende Sonne brannte ihnen auf die Kopfhaut.
Gao Yang wurde schwarz vor den Augen. Seine Arme waren nicht mehr da, nur in den Schultern spürte er noch ein glühendes Brennen. Rechts von sich hörte er den pferdegesichtigen Mann laut würgen und sich dann erbrechen. Gao Yang schielte zu ihm hinüber. Der pferdegesichtige junge Mann hatte den Kopf gesenkt und den Hals weit vorgestreckt. Seine Schulterblätter stachen in die Höhe, seine Brust wogte heftig. Auf der Erde lag eine klebrige Masse, die teils rot, teils weiß war. Schon hatten Schmeißfliegen mit grünen Köpfen den Weg von der Latrine hierhergefunden und schwärmten über das Erbrochene. Gao Yang wandte sich sofort ab, aber sein Magen revoltierte bereits, er röchelte, öffnete den Mund und erbrach eine gelbe Flüssigkeit. Lange traute er sich nicht, nach dem pferdegesichtigen jungen Mann zu schauen. Er nahm an, daß das Rote im Erbrochenen Tomaten waren und das Weiße gedämpftes Brot. Offenbar führte der andere kein schlechtes Leben. Gao Yang fiel ein, daß er am Handgelenk des Pferdegesichtigen eine große, dicke Armbanduhr gesehen hatte.
An Gao Yangs linker Seite hatte Tante Vier anfangs geweint und geschrien, nach einer Weile hatte sie nur noch gestöhnt und geseufzt, und zuletzt war sie vollends verstummt. War sie etwa tot? Der Gedanke erschreckte Gao Yang, und er verdrehte den Hals, um nachzusehen. Tante Vier war nicht tot, sie atmete schwer, ihre Arme nach hinten überstreckt, und wenn ihre Hände nicht hinter dem Baum aneinandergefesselt gewesen wären, wäre sie Kopf voran auf den Boden gestürzt. Sie hatte einen Schuh verloren, ein spitzer schwarzer Fuß, über den Ameisen krabbelten, ragte zur Seite. Der Kopf von Tante Vier schwebte ein Stück über dem Boden, aber ihr weißes Haar berührte bereits die Erde.
Ich weine nicht, wiederholte Gao Yang, ich weine nicht.
Er nahm seine Kräfte zusammen und richtete sich auf. Den Rücken preßte er so stark wie möglich gegen den Baumstamm, um seine gefesselten Arme zu entlasten. Die Polizistin Anni Sung kam vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Sie nahm die Mütze ab und ordnete ihr volles schwarzes Haar. Sie hatte immer noch die Sonnenbrille auf der Nase, und ihre Lippen glänzten feucht. Sie zückte ein buntes Taschentuch, mit dem sie sich den Mund abwischte. Als sie das Erbrochene sah, preßte sie sich das Taschentuch vor den Mund und fragte mit gedämpfter Stimme: »Alles in Ordnung?«
Gao Yang wußte nicht, was er sagen sollte. Tante Vier gab keinen Mucks von sich. Nur der pferdegesichtige junge Mann sagte etwas: »Ich h-h-hätte Lust, deine Mutter zu v-v-vögeln. Ansonsten alles in Ordnung.«
Gao Yang erschrak, weil er Prügel für den jungen Mann befürchtete, und blickte schnell zu ihm hinüber. Aber die Polizistin schlug den pferdegesichtigen jungen Mann nicht. Sie hielt sich das Taschentuch vors Gesicht und ging.
»Bruder«, sagte Gao Yang, mühsam nach Worten ringend, »laß es sein. Du ziehst doch nur den kürzeren.«
Der pferdegesichtige junge Mann verzog den Mund zu einem Lächeln. Sein Gesicht war so weiß wie Fensterpapier.
Die Polizistin kam mit Zhu und dem alten Zheng zurück. Zhu trug einen Eimer, der alte Zheng drei leere Bierflaschen und die Polizistin eine Schöpfkelle.
Die drei Polizisten gingen zur Wasserleitung. Zhu drehte den Hahn auf, um den Eimer zu füllen. Der Wasserstrahl war sehr stark und schneeweiß. Er ließ die Blechwand des Eimers dröhnen. Der Eimer war voll, das Wasser floß über. Zhu nahm den Eimer weg, ohne den Hahn zuzudrehen. Das Wasser klatschte auf den Ziegelboden. Der Geruch des frischen Wassers breitete sich aus. Gao Yang atmete ihn tief ein. In seinem Bauch schien ein Dämon zu stecken, der sprechen konnte: »Wasser, Genosse Kommandant, tu mir den Gefallen, gib mir was zu trinken.«
Der alte Zheng hielt die Bierflaschen unter den Wasserstrahl. Sie waren sofort voll und schäumten über. Mit den gefüllten Flaschen kam er zu den Gefangenen herüber. Als ersten fragte er Gao Yang: »Möchtest du trinken?«
Gao Yang nickte heftig. Der Geruch des Wassers und das dicke Gesicht des alten Zheng rührten ihn zu Tränen. Der alte Zheng steckte Gao Yang den Hals einer Flasche in den Mund.
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