Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
Vom Netzwerk:
angekommen, drehte sie sich noch einmal um. Die langsam sinkende Sonne war sehr groß geworden und hatte die Farbe von altem Kupfer. Der Himmel leuchtete in allen Abstufungen des Abendrots. Ein goldener Glanz lag über den Feldern. Schwankend und stolpernd hatten Vater und Bruder, ihre Sicheln schwingend, die Verfolgung aufgenommen.
    Gao Ma zog sie den Deich hinunter. In diesem Augenblick war sie so schwach, daß sie sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte. Vor ihnen lag ein kleiner Fluß, der die Grenze zwischen zwei Landkreisen bildete. Diesseits des Wassers lag der Kreis Paradies, aus dem sie kamen. Auf der anderen Seite begann der Kreis Grünes Pferd. Der Fluß hieß Glatter Bach. Durch sein Bett floß flaches, trübes Wasser. Trockenes Schilf schwankte in der Strömung. Gao Ma nahm Jinjü auf den Rücken und lief, ohne sich die Schuhe auszuziehen oder die Hose aufzukrempeln, in das Wasser. Sie hing auf seinem Rücken und hörte das Rascheln des Schilfs und das Gurgeln des Flußwassers. Seine schweren Atemzüge verrieten ihr, daß der Schlamm am Boden des Flusses sehr tief war.
    Als sie aufs Ufer krochen, befanden sie sich im Kreis Grünes Pferd. Sie sahen eine riesige Senke, in der, so weit das Auge reichte, grobe Jute wuchs. Die Jute reift spät. Jetzt war sie noch sehr grün und voller Lebenskraft und glich einem uferlosen Hochwasser. Mit Jinjü auf dem Rücken stürzte sich Gao Ma ins Jutefeld wie ein Fisch, der ins Meer hinausschwimmt.

Fünftes Kapitel
    Zur Sonne dreht sich die Sonnenblume im Wind.
    Zur Mutter bringt man das weinende Kind.
    Zur Kommunistischen Partei haben die Leute Vertrauen.
    Wer Knoblauch pflanzt, will auf den Kreisvorsteher bauen.
    Aus einem Lied, das Zhang Kou sang, als es eine Absatzkrise
beim Knoblauch gab
1
    Überstürzt schleppten die Polizisten den pferdegesichtigen jungen Mann zum rot und gelb lackierten Polizeiwagen. Gao Yang konnte sein Gesicht nicht sehen, nur die blutdurchtränkte Polizeijacke, aus der es auf den Boden tropfte. Man hatte dem Toten die Handschellen öffnen müssen, aber ein Stahlring umklammerte immer noch das eine Handgelenk. Als die Polizisten ihn zum Wagen trugen, hing der Arm mit der Fessel nach unten. Seine Handfläche und das Metall der Handschelle schleiften klirrend über den Boden. Der LKW-Fahrer wurde von einem jungen Polizisten aus dem Führerhaus gezerrt. Das Gesicht des Fahrers war zu einer gelben Maske erstarrt. Er zog den Kopf ein, ließ die Arme hängen und zitterte am ganzen Leibe. Der Polizist nahm ihm den Führerschein ab und versetzte ihm mehrere Fußtritte.
    »Komm«, rief Zheng ihm zu, »bring die Gefangenen in den Wagen. Mit dem hier beschäftigen wir uns später.«
    Ein Polizist trat hinter Gao Yangs Baum, öffnete seine Handschellen und befahl ihm aufzustehen. Gao Yang hörte das Klicken der Fesseln und auch den Befehl des Polizisten. Doch als er die Arme nach vorn ziehen wollte, reagierten sie überhaupt nicht. Mit Schrecken wurde ihm bewußt, daß sie ebensogut gar nicht mehr dasein könnten. Das einzige, was er spürte, war ein schwer auf seinem Rücken lastender Druck. Mit Fußtritten stieß der Polizist Gao Yangs Arme nach vorn. Als der sie heil und unverletzt an seinen Schultern hängen sah, empfand er tiefe Erleichterung.
    Grob packte der Polizist Gao Yangs Hände und schloß sie wieder zusammen. Der pferdegesichtige junge Mann lag schon im Polizeiwagen. Zwei Polizisten griffen Gao Yang unter die Arme und zogen ihn hoch. Sie befahlen ihm, zum Polizeiwagen zu gehen. Gao Yang wollte ihnen gehorchen. Er hatte nicht die Absicht, den Genossen Polizisten Schwierigkeiten zu machen, und wenn er ihnen eine zusätzliche Mühe ersparen konnte, so war er dazu mehr als bereit. Doch dann stellte er fest, daß auch seine Beine ihm nicht gehorchten. Er fühlte sich zutiefst beschämt, und sein Gesicht lief rot an.
    Die Polizisten schleppten ihn zum Auto und befahlen ihm: »Steig ein!«
    Er blickte die Polizisten verlegen an und wollte ihnen alles erklären, brachte aber den Mund nicht auf. Die Polizisten schienen ihn auch so zu verstehen. Ohne ein Wort zu verlieren, packten sie ihn mit Eisenarmen unter den Achseln und hoben ihn hoch. Er bemühte sich, es ihnen leichtzumachen, indem er sich mit den Beinen vom Boden abstieß. Ehe er sich’s versah, lag er schon quer im Wagen auf dem Bauch neben dem pferdegesichtigen jungen Mann.
    Dann wurde noch ein zusammengekrümmtes Etwas in den Wagen geworfen. Es war Tante Vier. Der Schrei, den sie

Weitere Kostenlose Bücher