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Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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ausstieß, verriet ihm, daß sie sich beim Aufprall weh getan hatte. Die Heckklappe des Autos wurde verriegelt, nachdem die Polizisten aufgestiegen waren und sich auf die Bänke zu beiden Seiten gehockt hatten. Der Motor sprang an, der Wagen setzte sich in Bewegung.
    Als das Auto den Hof der Gemeindeverwaltung verließ, erblickte Gao Yang die weiße Pappel, an die er gefesselt worden war, und ihn überfiel fast so etwas wie Abschiedsschmerz. Vom Glanz der Nachmittagssonne überflutet, wirkte der Stamm der Pappel kaffeebraun, und die eigentlich dunkelgrünen Blätter sahen aus wie alte Kupfermünzen. Davor hatte sich eine purpurfarbene Blutlache ausgebreitet, die von dem pferdegesichtigen jungen Mann stammte. Der Möbelwagen stand immer noch dort, und eine Schar ordentlich gekleideter Personen umringte den Fahrer und machte ihm allen Anschein nach die Hölle heiß.
    Jinjü stand mit ihrem vorgewölbten Bauch reglos unter einem Baum. Ihm fiel wieder ein, daß Tante Vier zu Jinjü gesagt hatte, sie solle zu Gao Ma gehen und mit ihm glücklich werden. Mit Gao Ma, der über die Mauer gesprungen und jetzt als Flüchtling mit einer Handschelle am Arm unterwegs war. Gao Yang mußte seufzen.
    Als der Wagen die Asphaltstraße erreichte, nahm seine Geschwindigkeit zu. Vom Dach des Autos kam ein Geräusch wie Wolfsgeheul. Anfangs erschreckte der Laut ihn sehr, aber nach einer Weile hatte Gao Yang sich daran gewöhnt.
    Jinjü schien ihnen auf der Straße nachzulaufen, aber ganz langsam, dann wurde sie immer kleiner und kleiner, und als der Wagen um eine Kurve fuhr, war nicht nur sie, sondern auch die Gemeindeverwaltung verschwunden. Tante Vier hockte in einer Ecke des Wagens. Ob ihre weit geöffneten, trüben Augen etwas wahrnahmen, wußten nur die Götter.
    Das Blut des pferdegesichtigen jungen Mannes lief über das Bodenblech, und der Blutgeruch verbreitete sich im Wageninneren. Sein Körper vibrierte. Mit deutlich hörbarem Poltern schlackerte der in die weiße Uniformjacke gewickelte Kopf hin und her.
    Der Polizeiwagen fuhr so schnell, daß Gao Yang schwindlig wurde. Durch den Spalt am unteren Ende der Hecktür konnte er sehen, wie der Staub aufgewirbelt wurde und die Bäume am Straßenrand nacheinander wegstürzten. Die weiten Felder drehten sich langsam zur Seite. Alle Fahrzeuge machten dem gellend heulenden Polizeiwagen Platz. Gao Yang sah, wie ein kleiner Traktor hastig den Straßenrand ansteuerte und eine Weide rammte, deren Stamm schon voller Narben war. Radfahrer huschten mit bleichen Gesichtern am Wagen vorbei. Ein Gefühl des Stolzes stieg in Gao Yangs Brust auf. Bist du jemals so schnell Auto gefahren? fragte er sich. Nein, du bist noch nie so schnell gefahren!
2
    Im dahinsausenden Polizeiauto machte Gao Yang plötzlich eine Entdeckung. Das über den Wagenboden laufende Blut des pferdegesichtigen jungen Mannes roch nach frischen Knoblauchstengeln. Gao Yang war überrascht. Er schnupperte prüfend. Tatsächlich, es war der Geruch von Knoblauchstangen, sogar der Geruch von frischen Knoblauchstengeln, die man gerade aus der Knoblauchpflanze gebrochen hatte. Genaugenommen war es der Geruch des kristallklaren Saftes, der an der zartgelben Bruchstelle austritt.
    Gao Yang berührte den Tropfen Saft mit der Zungenspitze. Der kühle, süßliche Geschmack tat seinem Herzen wohl. Er musterte sein drei Morgen großes Knoblauchfeld. Der Knoblauch wuchs sehr gut. Die weißen Häubchen der Knoblauchsprossen waren groß und dick. Einige Stiele waren gekrümmt, andere kerzengerade. Der Boden um die Pflanzen war ganz naß. Ein paar Sprossen bohrten sich durch die feuchte Erde. Seine schwangere Frau kniete mit ihrem großen Bauch neben ihm und zog die reifen Stengel heraus.
    Sie hatte eine dunkle Gesichtsfarbe. Die Sommersprossen unter ihren Augenringen wirkten wie Rostflecken auf einem Eisengerät. Sie kniete auf dem Boden und löste behutsam die Knoblauchstengel. An ihren Knien klebte feuchte Erde. Sie hatte einen Geburtsfehler, einen verkürzten linken Arm, der nicht sehr gelenkig war. Ihre Bewegungen beim Ziehen der Knoblauchstengel wirkten mühevoll. In ihrer zu kurzen und zu kleinen Hand hielt sie zwei Eßstäbchen aus Bambus, mit denen sie die Knoblauchsprossen einklemmte, und jedesmal, wenn sie zupackte, biß sie sich auf die Lippen. Er empfand Mitleid mit ihr, konnte aber auf ihre Hilfe nicht verzichten. Er hatte gehört, daß die Genossenschaft in der Kreisstadt Aufkaufstellen für Stangenknoblauch eingerichtet hatte, die

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