Die Knoblauchrevolte
für das Pfund einen halben Yüan bezahlten. Das war mehr als im letzten Jahr. Der Höchstpreis des Vorjahres hatte bei 45 Fen pro Pfund gelegen. In diesem Jahr war die Anbaufläche für Knoblauch im ganzen Kreis vergrößert worden, und er gedieh besser als im vergangenen Jahr. Man mußte schnell sein, früh ernten und früh verkaufen. Im ganzen Dorf halfen die Frauen und Kinder den Männern bei der Knoblauchernte. Mitleidsvoll betrachtete er den dicken Bauch seiner Frau und fragte sie: »Willst du dich nicht setzen und eine Pause machen?«
Die Frau hob ihr schweißnasses Gesicht: »Wozu eine Pause? Ich bin nicht müde. Ich fürchte nur, es dauert nicht mehr lange.«
Besorgt fragte er: »Wann ist es soweit?«
»In zwei bis drei Tagen«, erwiderte seine Frau. »Vielleicht verschiebt es sich um ein paar Tage, dann kann ich dir helfen, die Knoblauchernte zu Ende zu bringen.«
»Ist es denn nicht sicher, daß es am errechneten Tag kommt?«
»Verspätungen kommen vor«, sagte seine Frau. »Bei Xinghua hat es zehn Tage länger gedauert.«
Beide drehten sich gleichzeitig um und blickten auf ihre blinde Tochter, die artig am Feldrand saß. Sie hatte die Augen weit geöffnet, als beobachtete sie etwas. Ihre Finger spielten mit einem Knoblauchstengel.
Gao Yang rief ihr zu: »Xinghua, mach den Knoblauchstengel nicht kaputt. Jeder Stengel ist ein paar Fen wert.«
Die Tochter legte den Knoblauchstengel zur Seite und fragte laut: »Papa, seid ihr bald fertig mit Pflücken?«
Er lachte: »Das wäre schlimm, wenn wir so schnell fertig wären. Dann könnten wir ja kein Geld verdienen.«
»Wir haben gerade erst angefangen«, ergänzte seine Frau, »wir haben noch viel zu pflücken.«
Xinghua tastete behutsam mit der Hand über den Haufen Knoblauchstengel neben ihr und sagte: »Oh, so viele, so ein großer Haufen, wir bekommen viel Geld.«
»Ich schätze«, erklärte Gao Yang, »wir können dreitausend Pfund Knoblauchstengel ernten. Jedes Pfund fünfzig Fen, das bringt uns einen Verdienst von eintausendfünfhundert Yüan.«
»Wir müssen auch noch Steuern bezahlen«, erinnerte ihn seine Frau.
»Ja, richtig, die Steuern«, sagte Gao Yang. »Dieses Jahr sind auch die Ausgaben hoch. Letztes Jahr kostete ein Sack Dünger noch einundzwanzig Yüan. Jetzt ist der Preis auf neunundzwanzig neunundneunzig gestiegen.«
»Das sind fast dreißig Yüan«, sagte seine Frau.
»Die staatlichen Handelsgesellschaften nehmen immer die nächstkleinere Zahl.«
»Ach, das Geld verliert so schnell an Wert, daß man kaum noch mitkommt«, seufzte die Frau. »Am ersten Januar hat ein Pfund Schweinefleisch noch einen Yüan vier gekostet, jetzt ist es auf dem Markt bei eins acht angelangt. Ein Pfund Eier gab es zu Neujahr für eins sechs, und das waren große, jetzt wollen sie zwei Yüan für Eier, die so klein sind wie Aprikosen.«
»Die Leute haben zu viel Geld. Der alte Su vom Amt für Handel und Industrie hat sich ein Haus mit fünf Zimmern gebaut. Es heißt, er hat dafür sechsundfünfzigtausend Yüan hingeblättert. Ich habe es kaum glauben können.«
»Diese Leute kommen leicht zu Geld«, sagte die Frau. »Nur wer von der Feldarbeit leben muß, der bleibt zehntausend Generationen lang arm.«
»Man darf nicht unzufrieden sein«, sagte Gao Yang. »Denk nur, wie es vor ein paar Jahren war. Damals konnten wir uns nie satt essen. Seit zwei Jahren haben wir jeden Tag Mehlspeisen. Unseren Vorfahren ist es niemals so gut gegangen.«
»Deine Vorfahren waren Grundbesitzer«, sagte seine Frau spöttisch. »Und trotzdem ging es ihnen nicht gut?«
»Was heißt hier Grundbesitzer! In Wirklichkeit hatten sie im Mund nichts zu beißen, im Arsch nichts zu scheißen. Sie haben jeden Fen gespart, um etwas Ackerland zu kaufen. Vater und Mutter haben ihr ganzes Leben gelitten. Meine Mutter hat mir erzählt, vor der Befreiung hat unsere Familie im ganzen Jahr nur einen Viertelliter Sesamöl verbraucht. Und davon war zum Jahresende noch etwas übrig.«
»Wie war das möglich? Hat ihnen ein guter Geist geholfen?«
»Von wegen Geist. Wenn sie früher Gemüse kochten, hat meine Mutter erzählt, nahmen sie ein Eßstäbchen und tauchten es ins Wasser, und dann erst steckten sie es in die Ölflasche. Für jeden Tropfen Öl, der daran klebenblieb, lief ein Tropfen Wasser ins Öl. So kam es, daß von einem Viertelliter Sesamöl am Schluß noch eine Menge übrigblieb.«
»Früher haben es die Leute eben verstanden zu sparen.«
»Früher mußten nicht nur die
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