Die Knoblauchrevolte
Brüder warten bestimmt auf dem Bahnhof von Tiantang auf uns.« In seiner Stimme lag ein Unterton von Schadenfreude. »Ihre Rechnung wird nicht aufgehen.«
»Was machen wir im Nordosten?« fragte sie, immer noch beunruhigt.
»Wir fahren in den Kreis Mulan in der Provinz Heibngjiang«, sagte er mit entschlossener Stimme. »Ich habe dort einen Kameraden aus der Militärzeit. Er ist stellvertretender Kreisdirektor. Ich werde ihn bitten, uns Arbeit zu beschaffen.«
Er machte sich wieder heißhungrig über einen Pfannkuchen her und ließ erneut einen kräftigen Furz.
Sie mußte kichern und wußte selbst nicht, weshalb.
Gao Ma wurde rot im Gesicht. Verlegen sagte er: »Ich bin das Alleinleben gewohnt. Lach mich nicht aus.«
Sie verzieh ihm sofort und sagte wie zu einem Kind: »Die Menschen sind alle gleich. Wer grobe Kost ißt, hat nun mal Blähungen.«
»Und Frauen? Furzen Frauen auch?« fragte Gao Ma. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß eine so schöne Frau wie du auch furzen muß.«
»Sind Frauen nicht auch Menschen?«
Der Tau auf den Jutepflanzen war verdunstet. Von den im Norden liegenden Feldern her war der klagende Schrei eines Esels zu vernehmen.
»Können wir es denn wagen, uns am hellichten Tag blicken zu lassen?« fragte Jinjü.
»Kein Problem. Je mutiger wir auftreten, desto einfacher wird alles. Es sind fünfzehn Kilometer von hier bis Cangma. In drei Stunden können wir dort sein. Wenn deine Brüder auf der Suche nach uns in Cangma ankommen, werden wir schon längst in Lanji sein.«
»Ich möchte nicht gehen«, sagte Jinjü. »Ich gehöre jetzt dir. Vielleicht kann ich Vater und Mutter umstimmen.«
»Du träumst, Jinjü«, sagte Gao Ma. »Deine Eltern werden dich totschlagen.«
»Meine Mutter liebt mich doch«, erwiderte sie mit Tränen in den Augen.
»So, sie liebt dich? Sie liebt deine Brüder und benutzt dich als Tauschobjekt. Hast du wirklich vor, dein ganzes Leben mit Liu Shengli zu verbringen? Sei nicht dumm, Jinjü! Hör auf mich, komm mit mir. Mein Kamerad ist Vizekreisdirektor. Überleg dir nur, wieviel Einfluß ein Vizekreisdirektor hat. Uns unterzubringen ist für ihn eine Kleinigkeit. In der Armee waren wir beide wie Brüder.«
»Gao Ma, ich habe dir alles gegeben, was ich habe. Wenn du mich rufst, laufe ich dir nach wie ein Hund.«
»Jinjü«, sagte Gao Ma und legte ihr den Arm um die Schulter, »ich werde dir ein schönes Leben bieten, und wenn ich dafür mein Blut verkaufen müßte.«
»Liebster, laß uns doch gemeinsam sterben. Töte mich.«
»Nein, Jinjü, wir dürfen nicht sterben. Wir werden alle Schwierigkeiten überwinden. Wir werden es schaffen. Deine Eltern werden sich noch wundern.«
Als sie den Ausdruck fester Entschlossenheit und sogar einen Anflug von Brutalität im Gesicht ihres Liebsten sah, fuhr sie mit der Hand zärtlich über die Narben auf seiner Stirn und fragte: »Tut es noch weh?«
»Hier tut es weh.« Gao Ma nahm ihre Hand und drückte sie gegen seine Brust.
Sie lehnte ihr Gesicht an die Stelle, wo es heftig pochte, und sagte: »Meinetwegen hast du soviel durchgemacht. Meine Brüder sind Wölfe. Sie haben ein schwarzes Herz.«
»Mach sie nicht schlechter, als sie sind«, wandte Gao Ma großmütig ein. »Sie haben es auch nicht leicht im Leben. Ach, übrigens«, fuhr er angeregt fort, »erinnerst du dich noch an letztes Jahr, als ich dir bei der Weizenernte geholfen habe? Damals habe ich zu dir gesagt, ich besorge neue Batterien für meinen Recorder, damit du’s dir anhören kannst. Lange war keine Gelegenheit, aber jetzt habe ich welche. Hör mal.«
Gao Ma öffnete das Bündel, zog den Recorder aus seinem Karton und drückte eine Taste. Das Gerät gab ein Rauschen von sich, dann begann ein Mädchen kokett zu singen: »Wenn der Vollmond leuchtet, scheint er in der Heimat, scheint er in der Ferne. In der stillen Nacht denke ich an dich, denkst du an mich.«
»Das ist eine neue Kassette«, erklärte Gao Ma, »die Sängerin ist Dong Wenhua. Sie ist in der Armee, im Militärbezirk Shenyang. Sie ist nicht groß, aber gut gepolstert und sieht süß aus.«
»Kennst du sie?«
»Ich habe sie im Fernsehen gesehen. Die Suns haben sich einen Farbfernseher gekauft. Sie haben dieses Jahr sechs Morgen Knoblauch gepflanzt, und allein für die Knoblauchstengel haben sie mehr als fünftausend Yüan kassiert. Wenn es nicht soweit gekommen wäre, würde ich die Heimat nie verlassen. Mit Knoblauch kann man Geld verdienen. Die Kreisverwaltung hat uns aufgefordert,
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