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Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Knoblauchstengeln.«
    Die Söhne schleppten den Wagenkasten heraus. Dann holten sie die Achse und die Räder und bauten den Wagen zusammen. Im Dorf gab es viele Diebe, deshalb trauten sie sich nicht, den Wagen draußen stehenzulassen. Die Knoblauchstengel lagen gebündelt am Fuß der Hofmauer und waren mit einer Plastikfolie bedeckt. Onkel Vier sagte: »Holt einen Eimer kaltes Wasser und besprengt sie, damit sie nicht austrocknen.«
    Der Ältere Bruder holte einen Eimer und verteilte das Wasser mit der Kelle über den Knoblauch.
    »Wäre es nicht besser«, fragte Tante Vier, »wenn dich einer begleitet?«
    »Nein«, sagte Onkel Vier.
    »So was von stur«, sagte Tante Vier. »In der Stadt mußt du dir etwas Gutes zu essen kaufen. Ich kann dir nichts mitgeben.«
    »Da muß noch ein halber Hirsefladen übrig sein«, sagte Onkel Vier.
    »Du kannst doch nicht immer dasselbe essen.«
    »Gib ihn mir.« Onkel Vier führte die Kuh durch das Tor und spannte sie vor den Wagen. Er kam zurück, legte sich seine verschlissene wattierte Jacke um, steckte den kalten halben Fladen ein, klemmte sich einen Zweig unter die Achsel und ging durch das Tor.
    »Je älter, desto verbohrter«, sagte Tante Vier. »Warum kann der Kleine nicht den Knoblauch verkaufen gehen? So ein Sturkopf.«
    Ein kaltes Lächeln lief über das Gesicht des zweiten Bruders. »Vater hat Angst, daß ich das Geld unterschlage.«
    »Vater verwöhnt uns«, behauptete der Ältere Bruder.
    »Wer hat ihn darum gebeten?« brummte der zweite Bruder und ging ins Haus zurück, um sich schlafen zu legen.
    Tante Vier seufzte tief, blieb im Hof stehen und horchte auf das Rollen der Wagenräder, das sich in die undurchdringliche Dunkelheit entfernte. Die Papageien im Anwesen Gao Zhilengs kreischten wie toll. Tante Vier war beklommen zumute. Sie ging, von gelbem Mondlicht übergossen, im Hof auf und ab.
    Die Eisentür der Zelle ging auf. Der Polizist nahm der Gefangenen Nummer sechsundvierzig die Handschellen ab. Sie machte zwei schnelle Schritte und fiel auf ihre Pritsche wie eine Tote. Zu den Polizisten, die die Tür wieder zuzogen, sagte Tante Vier flehentlich: »Beamte, seid barmherzig, laßt mich nach Hause gehen, morgen ist das Fünf-Wochen-Gedenken für meinen Mann.«
    Die einzige Antwort, die sie erhielt, war das laute Zufallen der Eisentür.

Zehntes Kapitel
    Kreisdirektor Zhong,
    Hand aufs Herz und laß es raus:
    In welcher Partei bist du zu Haus?
    Ist es die Kuomintang,
    so schlaf dich weiter aus,
    doch bist du Kommunist,
    so schlag die Trommel, komm heraus.
    Auf den Stufen, die zur Kreisverwaltung hinaufführten, sang der blinde Zhang Kou diese anklagenden Verse, als es zur Absatzkrise für Knoblauch kam und sich einige tausend Leute vor der Kreisverwaltung versammelten, um eine Petition zu überreichen. Aber der Kreisdirektor verriegelte die Tür und legte sich ins Bett. Er kam nicht heraus, um die Angelegenheit zu regeln.
1
    Jinjü erreichte mit Mühe den Hof Gao Mas. Mit einem Schmerzensschrei sank sie zu Boden. Der Knabe in ihrem Bauch rundete wütend die Augen, ballte die Fäuste und brüllte zornig: »Laß mich raus, verdammt, laß mich raus, du!«
    »Gao Ma … komm doch … hilf mir … kümmere dich um deinen Sohn.«
    Sie kroch über den Hof und zog sich am Türrahmen hoch. Gao Mas Haushalt bestand aus vier Wänden, einem verrosteten Eisentopf, in dem noch etwas schwarzes Wasser stand, und einigen Mäusen, die von der Feuerstelle heruntersprangen. Im Raum herrschte ein Wirrwarr, als wäre ein Stier hindurchgerannt. Ein Vorgefühl nahenden Unheils überkam Jinjü.
    Sie nutzte eine Pause zwischen den Faustschlägen und Fußtritten ihres Kindes, um klagend »Gao Ma, Gao Ma!« zu rufen.
    Das Kind versetzte ihr einen Fausthieb und sagte: »Hör auf, ihn zu rufen. Gao Ma ist ein Verbrecher auf der Flucht. Wie bin ich nur an Eltern wie euch gekommen!« Der Knabe versetzte ihr wieder einen Fußtritt. Sie schnappte nach Luft und schrie »Himmel!« Ihr wurde schwarz vor Augen, und sie stürzte zu Boden. Dabei schlug ihr Kopf gegen einen Tisch, das einzige Möbelstück, das ihre Brüder beim Demolieren der Wohnung heil gelassen hatten.
    Vater war müde vom Prügeln. Er saß auf der Schwelle und rauchte. Mutter war ebenfalls vom Zuschlagen erschöpft. Sie hockte auf dem Blasebalg, schnaufte und wischte sich die Tränen ab.
    Jinjü lag zusammengekrümmt auf einem Heuhaufen in der Ecke des Hofes. Sie weinte nicht, sie schrie nicht, auf ihrem Gesicht lag ein starres

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