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Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Lächeln.
    Ihre Brüder kamen zurück. Der Ältere trug zwei Blecheimer und eine Schnur getrocknete Paprika. Der zweite Bruder schob ein gut erhaltenes Fahrrad, auf dessen Gepäckträger ein paar gebrauchte Uniformteile geklemmt waren. Heftig atmend blieben die Brüder stehen. »Dieser Kerl«, schimpfte der zweite Bruder, »hat nichts in seinem Haus, was man zu Geld machen kann.« Der Ältere sagte: »Nummer zwei wollte seinen Kochtopf zertrümmern. Ich habe ihn davon abgehalten. Etwas müssen wir ihm noch lassen. Man darf die Sache nicht auf die Spitze treiben.«
    »Sag mir, willst du immer noch mit Gao Ma ausreißen?« fragte Vater in neuentbranntem Zorn.
    Jinjü hatte die Lieder aus Gao Mas Kassettenrecorder im Ohr. Vaters Worte kamen aus weiter Ferne zu ihr, als gingen sie sie nichts an.
    »Bist du taub? Dein Vater fragt dich: Läufst du weg oder bleibst du?« Mutter sprang vom Blasebalg herunter und tippte Jinjü mit dem Schüreisen gegen die Stirn.
    Sie schloß die Augen und flüsterte: »Ich gehe.«
    »Schlagt sie, schlagt sie, schlagt sie!« Vater sprang von der Schwelle auf, stampfte mit den Füßen und schrie: »Hängt sie auf, hängt sie auf, ich werde die Hure schon kleinkriegen.«
    »Vater, das geht nicht«, sagte der Ältere Bruder. »Jinjü ist meine Schwester. Sie ist im Augenblick ganz durcheinander. Es reicht schon, ihr ordentlich Bescheid zu sagen. Schwesterchen, du bist ein kluger Mensch. Weißt du nicht, daß durch deine heimliche Flucht unsere ganze Familie ihr Gesicht verloren hat? Jahrelang wird man mit Fingern auf uns zeigen. Entschuldige dich bei den Eltern, dann wirst du später deinen Frieden finden. Jeder weiß, daß junge Leute auch mal Fehler machen. Liebe Schwester, entschuldige dich bei den Eltern.« Jinjü antwortete leise: »Nein.«
    »Hängt sie auf, hängt sie auf!« wütete der Vater. »Seid ihr tot oder seid ihr taub?« schrie er seine Söhne an.
    »Vater, das …«, hob der Ältere Bruder mißbilligend an.
    »Wenn ich meine Tochter totschlagen will, dann schlage ich sie tot. Wer will mich daran hindern?« Vater steckte seine Pfeife in den Gürtel und warf Mutter einen bösen Blick zu: »Schließ mal das Hoftor zu.«
    Mutter begann am ganzen Körper zu zittern und sagte: »Vater, laß sie doch.«
    »Juckt dich auch das Fell?« Er holte aus und versetzte Mutter eine Ohrfeige. »Geh und verriegle das Tor.«
    Mutter wich zwei Schritte zurück. Mit glasigen Augen drehte sie sich um und wankte wie ein Automat zum Tor. Jinjü hatte Mitleid mit ihr.
    Vater holte ein fingerdickes neues Hanfseil von der Wand, rollte es ab und befahl seinen Söhnen: »Zieht sie aus.«
    Der Ältere Bruder wurde bleich im Gesicht. Er sagte: »Vater, ich verzichte auf meine Heirat, nur bestraf sie nicht mehr.« Vater schlug mit dem Seil auf das verkrüppelte Bein des Älteren, daß er vor Schmerz hochfuhr. Beide Brüder bewegten sich auf Jinjü zu und nestelten mit abgewandtem Gesicht an ihren Knöpfen. Jinjü schob ihre Hände weg, zog sich selbst die Bluse aus und stieg aus der Hose. Sie hatte nur noch ein verschlissenes Unterhemd und ein rotes Höschen an. Vater warf dem älteren Bruder das Ende des Seils zu und sagte: »Bind ihr die Arme zusammen.«
    Der Ältere Bruder fing das Seilende auf und wandte sich Jinjü zu: »Liebe Schwester, bitte entschuldige dich bei Vater.«
    Jinjü schüttelte den Kopf: »Nein.«
    Der zweite Bruder stieß den älteren zur Seite, riß Jinjü die Arme hinter den Rücken und band ihr mit dem Seil die Handgelenke zusammen. Höhnisch sagte er: »Wer hätte gedacht, daß unsere Familie so eine unbeugsame Kommunistin hervorbringt, die tatsächlich lieber stirbt als sich ergibt?«
    Jinjü biß sich auf die Lippen und lächelte.
    Der zweite Bruder warf das Seil über den Deckenbalken und blickte den Vater an.
    Vater sagte: »Häng sie auf.«
    Der zweite Bruder zog mit aller Kraft. Jinjü fühlte, wie ihre Arme gestreckt wurden und jeder Muskel an ihren Armen sich dehnte. Die Schulterknochen knackten. Die Haut auf den Armen spannte sich. Schweiß brach aus allen Poren. Sie biß sich auf die Lippen, aber sie konnte nicht verhindern, daß sich Schmerzenslaute ihrer Kehle entrangen.
    Vater fragte: »Willst du immer noch weglaufen?«
    Unter Aufbietung aller Kräfte hob sie den Kopf und erwiderte: »Ja.«
    »Zieh, zieh, zieh sie hoch!«
    Vor ihren Augen tanzten grüne Lichtpunkte. In ihren Ohren knisterten Flammen. Die Schatten der Jute schwankten. Das dattelbraune Fohlen stand neben dem

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