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Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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vor einen riesigen Schleifstein, der vom kleinen Zhou-Berg hierhergebracht worden war, und schliff den Säbel. Erst schliff er ihn trocken, um die Klinge vom Rost zu befreien, dann holte er eine angestoßene Tonschale, die er halb mit Wasser füllte, um den Schleifstein zu benetzen. Er brauchte fast die halbe Nacht zum Schleifen und hörte erst auf, als ein Hahnenschrei die Morgendämmerung ankündigte. Mit einer Handvoll Heu rieb er den Säbel trocken. Das kalte Blitzen, das er sah, machte ihn frösteln. Als er die Schneide ans Gesicht legte und leicht nach unten kratzte, lösten sich mit leisem Rascheln die Barthaare.
    Die kostbare Klinge in der Hand, fühlte er sich wie ein Ritter, der nachts zu Wundertaten aufbricht. Die Hand, die den Säbel führte, juckte ihm schon. Sein erstes Ziel war der Hof der Gemeindeverwaltung. Die hohen großen Sonnenblumen wurden teils auf halber Stengelhöhe durchtrennt, teils der Länge nach gespalten. Sein Säbel war so schnell, daß es schien, als ob nicht der Säbel zuschlüge, sondern die Sonnenblumen sich in die Klinge stürzten. Die Stellen, durch die der Säbel hindurchging, boten überhaupt keinen Widerstand; es war, als ob er gar nicht geschnitten hätte. Die durchtrennten Sonnenblumenstengel blieben, nachdem er die Klinge zurückgezogen hatte, noch eine Weile zitternd stehen, bevor sie, die fächergroßen Blätter im schwachen Sternenlicht funkelnd, völlig geräuschlos herunterfielen. Seine Mordlust wuchs, und er nahm sich als nächstes die Pappeln vor. Das schneeweiße Pappelholz ächzte, als es splitterte. Mehrere tausend Papageien, die auf dem Baum nisteten, erhoben sich dicht an dicht in die Lüfte. Erst wirkte es wie ein Leuchten, das in alle Richtungen ausstrahlte, dann bildeten sie einen Wolkenhaufen, der immer schneller über der Gemeindeverwaltung kreiste und weißen Kot wie Regentropfen auf die blauen Dachziegel der Gemeindeverwaltung fallen ließ, und schließlich stürzten sie, vom Flug ermüdet, wie Steine auf die Hausdächer, daß die Dachziegel klapperten. Drei Pappeln waren gefällt, da veränderte sich der Himmel und wurde ungewöhnlich weit. In den vier Windrichtungen stiegen vier frischrote Monde auf, die die Welt so hell erleuchteten, als wäre es Tag. Sie ließen die Federn der Papageien farbenprächtig glänzen und ihre Augen wie Edelsteine funkeln.
    Gao Ma hielt mit der rechten Hand den Säbel in die Höhe und schwenkte mit erhobener Linker seine Handschelle. Sein Selbstbewußtsein stieg ins Unermeßliche. Die Papageien umkreisten ihn, und er schlug mit aller Kraft nach den verhaßten Vögeln. Er halbierte einen Papagei im Fluge. Eiskaltes Blut spritzte ihm ins Gesicht, und als er es mit der linken Hand abwischte, stieg ihm der Blutgestank des Vogels in die Nase.
    Die Papageien flogen unbekümmert durch Tür und Fenster ein und aus. Der Mond war schon untergegangen. Die Heuhaufen auf dem grauweißen Hof waren nur verschwommen auszumachen. Mit dem Säbel in der Hand stand Gao Ma in der Tür und wartete auf Papageien.
    Ein vorwitziger Papagei kam mit wirbelnden Flügeln wie ein sich drehender bunter Ball herangeflogen. Ein Säbelschlag teilte ihn in der Luft in zwei Hälften. Die eine Hälfte fiel auf Gao Mas linken Fuß, die andere blieb in einem Schritt Entfernung liegen. Ein Fußtritt beförderte den halben Papagei über die Mauer, dann spießte er mit dem Säbel die andere Hälfte auf und hielt sie sich vors Gesicht, um sie genau zu betrachten. Die Muskeln und die aufgeschlitzten inneren Organe zitterten noch. Ein warmer Lufthauch schlug Gao Ma ins Gesicht. Klebriges kaltes Blut floß über die Schneide bis an das bronzene Stichblatt. Ein Säbelschwung, und auch diese Papageienhälfte flog über die Mauer.
    Die Papageien wurden wütend. Der ganze Schwarm kreischte ihn an. Er warf sich in Positur und rief: »Bestien, kommt nur, kommt her!«
    Dann ging er zum Angriff über und stürzte sich unter wildem Säbelschwingen auf die Papageienschar. Einzelne Vögel plumpsten zu Boden, einige waren auf der Stelle tot, andere waren schwer verletzt und hüpften noch wie Frösche über die Erde. Aber nun drangen die Papageien ihrerseits auf ihn ein, und er wehrte sich mit letzter Kraft, denn jetzt ging es nicht mehr darum, die Vögel zu töten, sondern darum, in diesen reißenden Wellen zu überleben.
    Völlig erschöpft ließ er sich endlich auf einen Haufen toter, blutiger Papageien fallen. Die überlebenden kreisten in halber Höhe und kreischten kläglich.

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