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Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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den Mund öffnete, quollen Nudeln heraus. Gao Yang erbrach sie alle und blieb dann kraftlos auf dem Boden liegen.
    »Kleiner Dieb«, sagte der Mann mittleren Alters. »Du hast dauernd Tante gerufen, aber nicht eine einzige Tomate bekommen. Ich will dich belohnen.«
    »Onkel, ich will nicht …«
    »Kein Wort. Du darfst die Nudeln essen, die er ausgespuckt hat.«
    Der junge Häftling kniete auf dem Boden und flehte: »Onkel, guter Onkel, lieber Onkel, ich werde nie wieder …«
    In der Eisentür drehte sich der Schlüssel. Die Gefangenen zogen sich auf ihre Pritschen zurück und streckten sich aus.
    Die Zellentür ging auf. Lichtschein fiel herein. Mehrere Aufseher standen in der Tür.
    »Nummer neun, komm raus«, sagte ein Wärter, der ein weißes Papier in der Hand hielt.
    Gao Yang kroch schnell zum Eingang. Seine Nase lief, in seinen Augen standen Tränen. »Beamte«, sagte er, »Beamte, helft mir.«
    »Nummer neun, was ist los mit dir?« fragte ein Aufseher.
    »Er ist krank«, erklärte der Mann mittleren Alters. »Er hat hohes Fieber. Er phantasiert. Er hat Krankenkost bekommen und alles wieder erbrochen.«
    »Sollen wir ihn trotzdem mitnehmen?« fragte ein Beamter den anderen.
    »Wir nehmen ihn mit und sehen dann weiter«, sagte der Gefragte.
    »Steh auf!« kommandierte der Wärter.
    Als Gao Yang sich erhob, schloß sich ein Paar goldene Handschellen um seine Handgelenke.

Dreizehntes Kapitel
    Kreisdirektor Zhong
    erhöht die Mauer um sein Haus
    und sichert sie oben
    mit Stacheldraht und Glas.
    Und ist die Mauer noch so hoch,
    des Volkes Stimme hörst du doch.
    Du weißt, daß ihre Klage ohne Ende
    auch Stacheldraht noch überwände.
    Aus einem Lied, das der blinde Zhang Kou auf der Straße vor der Kreisverwaltung sang, nachdem ein Teil der Massen in das Finanzamt und das Vermessungsamt eingedrungen war und einige Beamte verprügelt hatte, mit denen man seit langem unzufrieden war. Kreisdirektor Zhong ließ daraufhin die Mauer um sein Haus vom Reparaturtrupp des Bauamtes erhöhen und die Mauerkrone mit Glasscherben und Stacheldraht absichern, um sie unüberwindbar zu machen.
1
    Gao Ma versuchte sich aufzurichten, fiel aber sofort wieder der Länge nach hin. Sieben oder acht bunte Papageien kamen durch das offene Fenster ins Zimmer hereingeflogen. Sie flatterten über die Dachbalken hinweg, huschten dicht an den Wänden entlang und streiften in ihrem ausgelassenen Flug fast Jinjüs Leiche. Ihr daunenglattes Gefieder ließ sie nackt wirken. Jinjüs Körper schwang zwischen den Türpfosten hin und her. Die Winkel des Türrahmens quietschten leise. Die Nacht war tief und ruhig. Schon das kleinste Geräusch klang ohrenbetäubend laut. Gao Ma war wie erstarrt. Er fühlte keinen Schmerz, aber der zugleich salzige und süße Geschmack in seiner Kehle sagte ihm, daß er bald wieder Blut spucken würde. »Gao Ma!« Er rief seinen eigenen Namen, Gao Ma, seit du in Jinjü verliebt bist, erlebst du nichts als blutiges Pech. Du spuckst Blut, du erbrichst Blut, du hustest Blut und du pinkelst Blut, dein ganzer Körper ist von oben bis unten mit Blutflecken bedeckt.
    Gao Ma hielt sich am Türpfosten fest. Langsam und zäh, wie ein krumm gewachsener Baum, der himmelwärts strebt, richtete er sich auf. Jinjü, ich habe dich zugrunde gerichtet. Ihr aufgetriebener Bauch verstärkte den Blutgeschmack in seinem Hals. Er stieg auf einen Hocker, um den Knoten zu lösen. Er tastete danach, seine Hände zitterten, seine Fingerkuppen waren weich. Der starke Knoblauchgeruch ihres Körpers irritierte ihn, ihr Blutgeruch erschütterte ihn. Er konnte sogar einen feinen Unterschied zwischen dem Blutgeruch an Jinjüs Körper und seinem eigenen Blutgeruch feststellen.
    Männerblut ist glühend heiß, Frauenblut ist eiskalt.
    Frauenblut ist sauber, Männerblut ist schmutzig. Die bunten Papageien flogen ihm unter den Armen und zwischen den Beinen hindurch. Ihr bösartiges, häßliches Kreischen ließ seinen Herzschlag für eine Sekunde aussetzen. Er hatte nicht die Kraft, den Knoten aufzumachen. Das grobe Juteseil war so straff gespannt, daß seine Finger diesen tödlichen Knoten nicht lösen konnten.
    Gao Ma tastete nach den Streichhölzern und zündete die Petroleumlampe an. Ihr Schein beleuchtete das geräumige Zimmer und warf die zuckenden Schatten der buntgefiederten Papageien riesengroß an die Wand. Plötzlich überkam ihn ein fürchterlicher Haß auf diese prächtigen Vögel. Der Schatten von Jinjüs Körper lag riesengroß auf Wand und

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