Die Knoblauchrevolte
Boden. Ihren Körper streifend, drängte er sich durch die Tür. Er bückte sich über die Feuerstelle und suchte nach dem Küchenmesser. Er fand die Scheuerbürste, den Topfschaber, aber nicht das Küchenmesser. Gao Ma, dein Küchenmesser hat mein älterer Bruder an sich genommen, hast du das vergessen? Er hörte sie sprechen.
Jinjüs Gesicht war nicht der Öllampe zugekehrt, deshalb konnte er es nur undeutlich sehen. Sie schien zu lächeln. »Lieber Gao Ma«, hatte sie lächelnd gesagt, »ich glaube, es ist ein Junge.«
»Ein Mädchen wäre mir genauso lieb. Ich ziehe Jungen in keiner Weise vor.«
»Ein Mädchen wäre nicht so gut. Wir müssen ihn auf die Schule schicken, auf die Oberschule, auf die Universität. Er soll in der Stadt Arbeit finden und nicht auf dem Land leiden.«
»Jinjü, du mußt meinetwegen leiden.« Er streichelte ihren Kopf.
»Geht es dir nicht genauso?« Sie berührte seine Brust, aus der die Rippen hervorstachen. Bedrückt fügte sie hinzu: »Meine Eltern sind hartherzig. Von dir so viel Geld zu verlangen.«
»Macht nichts, ich bekomme es schon zusammen«, sagte er entschlossen und voller Zuversicht. »Wenn ich die Knoblauchstengel verkaufe und die Zwiebeln dazu, bringe ich es auf schätzungsweise fünftausend Yüan. Um die Zeit haben die Leute im Dorf alle Geld. Wenn ich die Nachbarn bitte, mir fünftausend Yüan zu leihen, werden sie mir helfen. Bevor du das Kind bekommst, werden wir verheiratet sein.«
»Heirate mich bald«, erwiderte sie, »ich halte es dort nicht mehr aus.«
Auf Jinjüs Gesicht tanzten zitternde grüne Flecken. Er nahm an, daß es Flaumfedern waren, die die bunten Papageien verloren hatten.
In diesem Augenblick fiel ihm der Säbel ein.
Er hatte ihn in die Hand genommen und aus der Holzscheide gezogen. Der Säbel hatte viele Rostflecken, aber die Schneide war immer noch sehr scharf. Seine Spitze war abgebrochen, aber die Klinge bestand aus hochwertigem Stahl. Damals lebte Großvater noch. Großvater sagte: »Leg ihn hin!« Er erwiderte: »Ich will ihn schleifen, er hat Rost.« Großvater riß ihm den Säbel weg.
»Das ist kein Spielzeug.« Damals war auch Mutter noch am Leben. Mutter sagte: »Mit diesem Säbel sind Menschen getötet worden. Du darfst damit keinen Unfug anstellen.« Gao Ma wußte, daß der Säbel jetzt auf einem Dachbalken lag. Er stellte sich auf den Hocker und streckte die Hand aus. Er ertastete etwas Hartes und Langes. Er umklammerte es fest und holte es herunter. Als er den Säbel im Licht der Petroleumlampe aus der Scheide zog, war ihm, als sähe er Mutters und Großvaters Gesichter vor sich.
Er hob die Klinge und führte einen Schlag gegen das Seil. Der Strick stieß den Säbel zurück. Gao Ma verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Als er sich wieder aufrichtete, riß das Seil. Jinjü fiel herunter. Als erstes berührten ihre Fußspitzen den Boden, dann ihre Fersen, und dann fiel sie der Länge nach auf den Rücken. Ein silberner Berg kippte, zwei Jadesäulen stürzten um. Ein unheimlicher Windzug brachte die Lampe zum Flackern. Gao Ma kniete nieder, um den tief in ihren Hals schneidenden Strick loszumachen. Als der Knoten aufging, stieß Jinjü einen Seufzer aus. Freudig erschreckt schrie Gao Ma laut auf. Sie sagte keinen Ton. Er berührte ihren Körper. Sie war schon eiskalt und steif. Er versuchte, ihre weit herausgestreckte Zunge wieder in den Mund zurückzuschieben, aber sie war zu dick und groß. Trotz allem lag ein berückendes Lächeln auf Jinjüs Gesicht.
»Lieber Gao Ma, hast du das Geld zusammen? Wann können wir heiraten?«
Er holte eine Decke und breitete sie über ihr Gesicht und ihren Oberkörper.
Nachdem er ein paar Minuten laut geweint hatte, fühlte er sich völlig ausgebrannt. Er ergriff den rostigen Säbel wie ein mutiger Krieger und stapfte in den Hof. Der frische Wind kühlte sein Gesicht. Im Mund hatte er immer noch den Blutgeschmack. Er richtete den Blick nach oben. Die Sterne standen hoch, der Mond war klein, der Himmel wolkenlos. Ein Schwarm bunter Papageien flog mit einer Leichtigkeit durch das offenstehende Fenster ein und aus, als gäbe es für sie überhaupt keinen Luftwiderstand; wahrscheinlich lag das daran, daß ihr Gefieder so glatt war. Er hob den Säbel, zielte auf einen der Papageien und schlug zu. Der Vogel machte einen Bogen und flog dicht an ihm vorbei ins Zimmer. Ich bringe euch alle um! Ich werde euch alle ausrotten. Ich werde die Klinge schleifen und euch ausrotten!
Er kniete sich
Weitere Kostenlose Bücher