Die Knoblauchrevolte
stemmten sie die Füße auf die Schilfmatten und zogen das Seil mit aller Kraft an. Gao Ma hörte Schilfhalme brechen und sah zwei Füße auf Jinjüs Bauch treten.
Er ließ den Säbel fallen, sank auf die Knie und hustete Blut, das ihm auf die Brust troff. Die auf den Jutespitzen hockenden Papageien flogen erschrocken auf, kreisten eine Weile schnell und schossen dann wieder im Sturzflug nach unten. Wie Schwalben, die im Fluge fast das Wasser berühren, streiften die Papageien mit den Bäuchen fast die Jutespitzen. Der Reporter filmte sie aufgeregt. Die Frau mit dem gepuderten Gesicht glättete für die Kamera die Falten ihrer Hose. Die Papageien flogen wie Weberschiffchen in unablässig wechselndem Muster über Gao Mas und Jinjüs Gesicht hin und her.
Er streckte die Arme hoch. Der stotternde Polizist nahm ihm die kaputte Stahlfessel ab. Ein Paar neue, golden blitzende Handschellen schloß sich um seine Handgelenke. »K-k-kleiner, w-w-willst du immer noch fliehen?« fragte der stotternde Polizist. »Am N-n-neujahrstag kann der Schuldner seinen G-g-gläubigern entwischen, aber n-n-nicht bis zum Ende des Festes.«
Vierzehntes Kapitel
Wer keine Angst hat, daß er zerstückelt wird,
stürzt Parteisekretäre und Direktoren.
Massenprotest verbietet das Gesetz des Staates.
Doch die, die ihre Tür verschließen
und untätig bleiben,
die ihre Untergebenen das Volk ausbeuten lassen,
bekommt man die nicht auch mit dem Gesetz zu fassen?
Aus einem Lied, das Zhang Kou sang, als das Sicherheitsamt die unruhestiftenden Massen festnahm und verhörte
1
In sternklarer Nacht führte Gao Yang seinen mit Knoblauchstengeln beladenen Eselskarren zur Kreisstadt. Die Last war so schwer, daß das wacklige Gefährt knarrte und quietschte und bei jedem Schlagloch so bedenklich ächzte, daß Gao Yang Angst bekam, der alte Karren könnte jeden Augenblick auseinanderbrechen. Als er die kleine Steinbrücke über den Sand-Fluß erreichte, packte er den Esel fest am Geschirr und stützte den Wagen mit der Hüfte ab, um dem abgemagerten kleinen Tier zu helfen, das eher wie eine zu groß geratene Ziege aussah, die man mit einer Hand umwerfen konnte. Die Steinplatten auf der Brücke waren uneben, die Wagenräder polterten. Unter den Brückenpfeilern stand das Wasser in Lachen, die das kalte Sternenlicht widerspiegelten. Auf der Steigung legte er sich das Seil, das mit der Achse verbunden war, über die Schulter, um dem Esel beim Ziehen zu helfen. Hinter der Brücke begann die Asphaltstraße, die zur Kreisstadt führte. Sie war glatt und auch bei Wind und Regen immer befahrbar. Diese Straße war mit dem Geld gebaut worden, das man nach dem Dritten Plenum des ZK gesammelt hatte. Er konnte sich noch gut erinnern, wie er sich damals beschwert hatte: »Warum so viel Geld ausgeben? Wie oft in meinem Leben fahre ich schon in die Kreisstadt?« Mittlerweile wußte er, daß er sich geirrt hatte. Bauern planen nur auf kurze Sicht, um schnell einen kleinen Profit einzuheimsen. Das ist unklug. Die Regierung dagegen ist weise. Auf sie zu hören ist bestimmt kein Fehler. Das sagte er heute immer, wenn das Gespräch darauf kam.
Als er auf der Asphaltstraße war, hörte er zwanzig, dreißig Meter vor sich das Rollen eines Wagens und das Husten eines alten Mannes. In der tiefen Nacht war es so still, daß das Lied, das der Alte anstimmte, weit über die grenzenlosen Felder hallte. Gao Yang erkannte an der Stimme, daß er Onkel Vier aus der Familie Fang vor sich hatte. In seiner Jugend war Onkel Vier ein hübscher Bursche gewesen, der in einer Amateur-Operntruppe mitspielte. Es hieß, daß er stürmische Liebschaften gehabt hatte, von denen eine mit dem Tod der Frau endete.
Liebchen, Liebchen, kämm dein Haar.
Und folge mir ins Brautgemach.
Goldnadel in den Lotus stach,
Von Säften feucht das Bettuch war.
»Dieser alte Schwerenöter«, fluchte Gao Yang vor sich hin. Es drängte ihn, schneller voranzukommen. Aber die Nacht war lang, der Weg war weit und die Aussicht auf einen Partner, mit dem er sich unterhalten konnte, war verlockend. Als er den Umriß des vor ihm fahrenden Wagens deutlich sah, rief er: »Ist das nicht Onkel Vier? Ich bin Gao Yang.«
Onkel Vier gab keine Antwort. Im Gebüsch zu beiden Seiten der Straße zirpten die Heuschrecken. Der Esel trappelte munter, der Geruch der Knoblauchstengel lag schwer in der Luft. Hinter den hohen Bäumen stieg der Mond auf und ließ sein fahles Licht auf der Asphaltstraße schimmern. Gao Yangs Herz war
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