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Die Knochen der Goetter

Die Knochen der Goetter

Titel: Die Knochen der Goetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Pfeiffer
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erinnerten?«, hörte er jetzt Filine fragen. Im Gegensatz zu ihm schien sie sich gar nicht zu fürchten.
    »Nein«, sagte die Pharaonin und wirkte überrascht.
    »Dann können wir doch forschen und Eure Geschichte erzählen«, sagte Filine. »Von Euch und Eurem bewegten Leben.«
    Diesmal antwortete die Pharaonin nicht. Stattdessen wich sie langsam zurück. »Der Traum verblasst«, sagte sie leise. »Lasst die Toten ruhen.«
    »Aber Ihr seid unsterblich!«, rief Filine. »Ihr müsst den Tod nicht fürchten. Das ist nicht Euer Glaube.«
    Die Pharaonin wich zurück.
    »Wovor fürchtet ihr Euch, Göttin?« Filines Augen leuchteten in der Dunkelheit.
    »Nein«, sagte die Pharaonin. Dann sprach sie plötzlich Ägyptisch, und etwas Unheimliches geschah. Mit jedem Wort schien Filine unglücklicher zu werden. Sie starrte die Pharaonin an wie ein geprügelter Hund.
    Rufus lief ein Schauder über den Rücken. Was passierte da? Er sah zu Filine, aber diese lauschte völlig gebannt den Worten der Pharaonin. Was auch immer Anchetcheprure ihr sagte, es war nichts Gutes.
    Rufus konzentrierte sich und hörte genau zu. Er versuchte, sich jedes der Worte genau einzuprägen. Sonst konnte er gar nichts tun.
    In diesem Moment rief No: »Wo ist denn eigentlich der Himmel?«
    Verwirrt sah Rufus auf. Er verstand nicht, was No meinte. Doch dann wurde ihm klar, dass die Pharaonin nicht vor dem ägyptischen Himmel stand, den sie bisher in allen Begegnungen in der Flut gesehen hatten. Sie waren auch nicht in ihrem Palast. Stattdessen sah Rufus hinter dem Rücken der Königin nur die Bücher in den Regalen der Bibliothek.
    Die Pharaonin wich weiter zurück.
    »Du hast recht, No«, flüsterte Rufus. »Sie ist bei uns in der Bibliothek. Wie geht das?«
    Neben ihm blickte Filine die Pharaonin entsetzt an.
    Diese sagte noch einen Satz auf Ägyptisch. Und plötzlich wurde Filine kalkweiß.
    Anchetcheprure schwieg jetzt. Rufus starrte sie an. Ihre Augen funkelten, und sie sah sehr stolz aus, stolz und unnachgiebig. In diesem Moment erkannte Rufus, dass ihre Augen dunkel waren, dunkel wie die Nacht, und keinen Funken Grün in sich trugen. Rufus schluckte. Wie konnte …?
    Doch da drehte sich die Pharaonin um, und im selben Moment erlosch das blendende Licht.
     
    »Ein Wesen der Flut hat direkt zu euch gesprochen? In unserer Sprache?«
    Meisterin Iggle saß auf ihrem Bett und runzelte die Stirn. Rufus, Filine und No drängten sich um sie herum und in der Tür stand Coralia. Das große Zimmer glich einer Gebirgslandschaft aus Büchern. Tische, Regale und Stühle lagen so voll davon, dass man kein einziges Stück Holz mehr erkennen konnte. Dazu hingen an den Wänden mehrere Gemälde, auf denen seltsame Wesen zu sehen waren, wie ein Mann, dessen Haare die aufgeschlagenen Seiten eines Buches bildeten und dessen Arme aus mehreren Atlanten zu bestehen schienen.
    »Lasst euch von der Unordnung nicht stören«, bat die Magistra Bibliothecaria. »Aber macht um Himmels willen nichts kaputt.« Sie wandte sich Coralia zu. »Hast du es auch gesehen?«
    »Ich habe die Pharaonin erst bemerkt, als sie gerade wieder verschwand. Und da war noch etwas …«
    »Sie war ganz deutlich zu hören«, unterbrach sie No. »Klar und deutlich.«
    Meisterin Iggle schüttelte den Kopf.
    »Gibt es das sonst nicht?«, fragte Rufus. »Geht das überhaupt?«
    Meisterin Iggle zögerte kurz. Dann sagte sie: »Doch, das hat es schon gegeben. Allerdings ist es selten. Sehr, sehr selten. Und soweit wir wissen, ist dazu eine besondere Voraussetzung nötig. Aber ihr habt sie wirklich gehört und sie euch auch? Seid ihr da sicher?«
    »Ja«, sagte Filine mit belegter Stimme.
    »Und was hat sie gesagt?«
    Filine schwieg. Dann murmelte sie: »Ich weiß nicht, ob ich alles richtig verstanden habe.« Sie biss sich auf die Lippen.
    Die Meisterin legte ihre Hände an die Schläfen. »Aus sehr alten Aufzeichnungen wissen wir, dass es einige Male vorgekommen ist, dass Flutwesen direkt zu den Flutlern gesprochen haben. Auch dass die Flutwesen sich dabei nicht unbedingt ihrer eigenen Sprache bedient haben. Ein besonderes Dokument hat dazu geführt, dass wir später in Erfahrung bringen konnten, dass die Flutwesen selbst sich an diese Begegnungen nur wie an einem Traum erinnern. In den entsprechenden Aufzeichnungen hieß es ›ein Gesicht gehabt haben‹.«
    »Ein Gesicht gehabt?«, fragte No verständnislos.
    »Etwas Verrücktes gesehen haben, etwas Göttliches, eine Vision«, erklärte Coralia

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