Die Knochenfrau
tot und dann lag sie tagelang da und war am verdursten ... und dann fehlte etwas ... und dann war da plötzlich dieser bärtige Mann der sie komische Sachen fragte, der von ihr wissen wollte, ob sie ein Mann sei. Jetzt hielt er gerade ihre Hand.
„Frau Schneider, es tut mir wirklich sehr leid, was mit Ihrem Mann passiert ist. Wenn Sie möchten, dann lasse ich Sie erst einmal in Ruhe. Ich kann Ihnen aber auch erklären, wo Sie sind und wer ich bin. Wenn Sie wissen möchten, wo Sie sind und was passiert ist, dann blinzeln Sie bitte einmal. Wenn Sie Ihre Ruhe haben möchten, dann blinzeln Sie bitte zweimal.”
Die alte Frau sah in das fremde Gesicht. Der Mann war etwa vierzig, einige Barthaare schon grau, er sah freundlich aus. Sie wollte jetzt nicht allein gelassen werden und blinzelte einmal. Der Mann lächelte und drückte ihre Hand. Er sprach langsam und deutlich.
„Mein Name ist Thomas Werner und ich bin Krankenpfleger. Wir befinden uns im Universitätsklinikum Freiburg, auf der Intensivstation. Sie sind seit zwei Tagen hier, waren allerdings bisher nicht ansprechbar. Ich habe mich während dieser zwei Tage um Sie gekümmert, zusammen mit den Kolleginnen. Sie waren halb verdurstet, als Sie hier eingeliefert wurden. Aber jetzt sind Sie außer Lebensgefahr. Erinnern Sie sich daran, was passiert ist?”
Die Frau zwinkerte einmal und schaute ihm in die Augen. Ihre Erinnerung war nun klar. Sie wusste genau, was passiert war.
„Ich möchte Ihnen mein Beileid aussprechen, Frau Schneider. Sie haben bestimmt Furchtbares durchgemacht.”
Sie zwinkerte einmal und der bärtige Mann sah etwas verlegen aus. Unter seinem Bart und seiner Brille hatte er ein Jungengesicht.
„Ich werde Ihnen jetzt noch ein paar Fragen stellen, dann lasse ich Sie in Ruhe. Nur damit ich weiß, ob ich noch irgendetwas für Sie tun kann. Haben Sie irgendwo Schmerzen?”
Das hatte er vorhin schon gefragt. Sie blinzelte zweimal.
„Haben Sie Durst?”
Zweimal
„Haben Sie Hunger?”
Zweimal
„Liegen Sie bequem?”
Einmal
„Ist Ihnen kalt?”
Zweimal
„Sind Sie müde? Möchten Sie schlafen?”
Einmal
„Haben Sie sonst noch irgendwelche Fragen an mich?”
Zweimal
„In Ordnung, Frau Schneider. Dann lasse ich Sie jetzt in Ruhe. Ich sehe später noch einmal nach Ihnen. Ruhen Sie sich aus, Sie haben viel durchgemacht. Sie müssen erst wieder Kraft sammeln.”
Der Mann in dem weißen Kittel verließ das Zimmer und Frau Schneider starrte etwa drei Minuten die hellgraue Zimmerdecke an. Ihre Augen waren immer noch gut, sie erkannte die blassen Umrisse eines überstrichenen Wasserflecks. Dann schlief sie ein. Zuvor fühlte sie so etwas wie Erleichterung ... sie hatte überlebt. Nicht dass sie am Leben hing … eigentlich war das ja gar kein richtiges Leben mehr. Aber sie hatte noch eine Aufgabe. Sie durfte sich nicht einfach aus dem Staub machen. Tante Rosi würde noch ein bisschen auf sie warten müssen mit ihrem Ball.
2. Ein Anruf und ein Brett mit Buchstaben
Es war kurz nach zehn und Lukas lag noch im Bett. Neben ihm Paula. Als er erwachte, da sah er ihren weißen Rücken mit den beiden kleinen Leberflecken. Er gab ihr einen Kuss zwischen die Schulterblätter, streichelte ihren Nacken und roch an ihrem schwarzen Haar. Eine Mischung aus Shampoo und Zigarettenqualm. Er mochte den Geruch.
Lukas richtete seinen Oberkörper auf, unterdrückte ein Husten und kletterte über sie drüber. Anders ging es nicht, er hatte an der Wand geschlafen. Paula murmelte irgendetwas, wachte aber nicht auf. Einige Sekunden stand er neben ihr und sah sie nur an. Er wusste nicht, was er von dieser Frau halten sollte. Irgendwie war sie nicht greifbar … wie ein glitschiges Tier, das einem immer wieder aus den Händen glitt.
Lukas ging ins Badezimmer, trank ein Glas Wasser, stellte sich unter die Dusche, suchte nach der richtigen Temperatur und pinkelte in die Duschwanne. Er dachte an das vergangene Wochenende. Eines der besseren, wie er fand. Er hatte drei Abende hintereinander gearbeitet und gut Trinkgeld kassiert. Gestern Abend war dann überraschend Paula aufgetaucht. Sie war ein wenig betrunken. Kurz nach eins machte Lukas Schluss und ging mit ihr in seine Wohnung. Der Sex war gut ... schweinisch. Sie hatten sich durchs Zimmer gevögelt, erst von hinten im Stehen am Waschbecken, dann Doggy vor dem Kühlschrank, missionarisch auf dem Sofa und schließlich irgendwie verdreht im Bett. Sie hatten 'ne Menge Spaß gehabt. Erschöpft und glücklich
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