Die Knochenleserin
ruhig: »Aber diesmal werden wir ihn uns holen.« Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern ging zur Tür. »Ich melde mich wieder.«
Joe schaute Eve an, nachdem die Tür sich hinter Montalvo geschlossen hatte. »Mach dir nicht zu viele Hoffnungen. Es ist immer noch möglich, dass es gar nicht Kistle war.«
»Sag mir nicht so was«, sagte sie unerwartet heftig. »Ich werde immer weiter hoffen. Ich muss hoffen.« Sie setzte sich aufs Sofa. »Und jetzt geh ich erst mal all diese Unterlagen durch; vielleicht finde ich ja etwas, was ich gegen dieses Schwein verwenden kann. Bisher wissen wir nur, dass er immer der Beste sein will und mal so eine Art Rambo war.« Sie warf einen Blick auf das Foto von Kistle. »Und dass er all die Jahre, seit meine Bonnie tot ist, lebt und lacht und weiter tötet.« Ihre Stimme zitterte. »Kannst du diesen FBI-Agenten dazu bewegen, den Namen Hathaway zu überprüfen? Vielleicht findet er ja noch was anderes heraus. Vielleicht hat Kistle den Namen später noch einmal benutzt.«
»Cassidy steigt gerade aus dem Fall aus.« Joe hob abwehrend die Hand, als er bemerkte, dass sie widersprechen wollte. »Also gut. Wir brauchen ihn nicht. Er würde uns möglicherweise nur in die Quere kommen. Ich kann die Informationen auch über die Datenbank in Quantico herausbekommen.« Er ging zur Tür. »Ich kümmere mich sofort darum.« Er blieb noch einen Moment stehen. »Wie geht es dir? Soll ich lieber noch bleiben?«
Sie schüttelte den Kopf. »Diese Informationen kommen nicht sonderlich überraschend. Ich wusste, dass er ein Ungeheuer ist. Ich wusste nur nicht, dass er so clever ist.« Sie wandte sich wieder den Unterlagen zu. »Geh nur und kontaktiere Quantico.«
6
Z ehn Minuten später kam Jane aus ihrem Zimmer. »Wie ist es gelaufen?«, fragte sie. Dann bemerkte sie die auf dem Tisch ausgebreiteten Berichte und Fotos. »Wie ich sehe, hat Montalvo Wort gehalten.«
»Ja.« Eve konnte die Berichte und Zeitungsausschnitte nicht mehr sehen. Es tat alles zu weh. »Er hat getan, was er versprochen hat. Joe versucht, mit Hilfe dieser Informationen noch mehr herauszufinden.«
»Die beiden arbeiten zusammen?« Jane hob die Brauen. »Wirklich?«
»Wirklich.« Eve ordnete die Papiere und verstaute sie in der Mappe. »Was wollte dein Agent?«
»Nichts Besonderes.«
»Jane.«
Sie verzog das Gesicht. »Ich soll nach Paris fliegen. Eine Galerie will sechs Gemälde ausstellen, die bei der letzten Präsentation nicht verkauft wurden. Er meint, das würde mir Türen öffnen. Ich habe ihm gesagt, dass mir das amerikanische Publikum reicht.«
»Blödsinn«, sagte Eve. »Fahr hin. Du brauchst mir hier nicht Händchen zu halten.«
»Ich will es aber.«
»Ach was. Ich fühle mich schon elend genug, da kann ich nicht auch noch Schuldgefühle gebrauchen. Ich sitze hier untätig herum, während alle anderen versuchen, diese Bestie zu schnappen. Du brauchst nicht auch noch hier herumzusitzen. Wenigstens eine von uns könnte etwas Sinnvolles tun.« Sie stand auf. »Ich arbeite jetzt einfach an Carrie weiter. Und du packst deine Tasche und verschwindest.«
»Nein.«
»Doch.« Eve sah ihr streng in die Augen. »Ich will nicht, dass Kistle mir mein Leben noch mehr versaut. Alles um mich herum ist nur noch schmutzig und traurig. Du und deine Gemälde strahlen Lebensfreude und Schönheit aus. Ich möchte an dich denken, wenn du in Paris bist. Ich möchte, dass du mich anrufst und mir erzählst, was in dem Teil der Welt los ist.«
Jane musterte Eves Gesichtsausdruck. »Du meinst es wirklich ernst.« Sie zögerte. »Wirst du mich anrufen, wenn sie Kistle dingfest gemacht haben? Dann fliege ich sofort her, um bei dir zu sein.«
»Wenn es so weit ist, hörst du von mir.« Eve umarmte sie kurz. »Und jetzt raus mit dir, damit ich mich auf Carrie konzentrieren kann.« Sie trat an den Tisch. »Bestell mir noch eine Tasse Kaffee, bevor du gehst, ja?«
Jane stand immer noch da. »Ich pfeife auf Paris und die Präsentation, Eve. Du bist das Einzige, was für mich zählt.«
»Denk an den Kaffee«, sagte Eve, während sie das Abdecktuch beiseitelegte. »Für mich ist Paris wichtig. Geh jetzt endlich, Jane.«
»Okay, ich bin schon unterwegs.« Jane ging in ihr Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Verdammt, sie würde ihr fehlen, dachte Eve. Aber es war besser für Jane, wenn sie wegfuhr. Sie hätte es erst gar nicht zugelassen, dass sie sie nach Bloomburg begleitete, wenn sie selbst nicht so durch den Wind gewesen wäre.
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