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Die Knochenleserin

Die Knochenleserin

Titel: Die Knochenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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wurde?«, fragte Eve.
    »Kistle lässt sich nicht gern Vorschriften machen. Er akzeptiert sie, weil ein Einzelgänger per se verdächtig ist und aufzufallen seinem Hauptziel zuwiderlaufen würde.«
    »Und das wäre?«
    Montalvo zog drei Fotos hervor und legte sie auf den Bericht. »In dem Jahr, als Kistle für Pelham gearbeitet hat, wurden drei Kinder als vermisst gemeldet. Er hat darauf geachtet, dass sie nicht aus seiner direkten Umgebung stammten. Alle drei Kinder kamen aus umliegenden Städten.«
    »Wurden sie ermordet?«
    »Sie werden immer noch vermisst. Es gibt keine Leichen. Offenbar ist Kistle sehr clever und umsichtig. Keine Leichen, keine Beweise.«
    Langsam nahm Eve das oberste Foto in die Hand. Das Mädchen war vielleicht neun oder zehn, blond mit Pferdeschwanz. Sie lachte in die Kamera.
    Wissen Sie, wie viele hübsche kleine Mädchen ich seit Ihrer Bonnie getötet habe?
    »Eve«, sagte Joe ruhig.
    »Schon in Ordnung.« Sie legte das Foto wieder zurück. »Fahren Sie fort, Montalvo.«
    »Danach war Kistle zwei Jahre lang von der Bildfläche verschwunden. Ich wette, er hat sich eine Zeitlang unter falschem Namen woanders niedergelassen. Der Himmel weiß, wie viele Morde er in diesen zwei Jahren begangen hat. Und als er das Gefühl hatte, dass genügend Zeit verstrichen war, ist er nach Detroit zurückgekehrt und hat wieder den Namen Henry Kistle benutzt.«
    »Und warum ist er von dort nach Bloomburg gezogen?«
    Er warf ein weiteres Foto auf den Tisch. »Kevin Jacobs. Eines Tages kam er nicht zur Schule. Er wohnte in einem Vorort, und eine Leiche gab es auch diesmal nicht. Er war ein niedlicher kleiner Junge, und es hat ein ziemliches Rauschen im Blätterwald gegeben. Kistle fand es wahrscheinlich sicherer, sich aus dem Staub zu machen.«
    »Gott«, flüsterte Eve.
    »Wahrscheinlich wechselt er jedes Mal die Identität, wenn er gezwungen ist, eine Stadt zu verlassen«, bemerkte Joe.
    Montalvo zuckte die Achseln. »Und das macht er schon seit Jahren so. Er dürfte mittlerweile Experte für Ausweisfälschungen sein. Ich habe Ihnen ja gesagt, er ist sehr gewieft.«
    »Und woher wollen Sie das wissen?«, fragte Eve. »Es war jedenfalls nicht besonders gewieft, mich anzurufen und das Risiko einzugehen, dass ich schnell reagieren würde und er damit rechnen musste, gefasst zu werden.«
    »Vielleicht ist er ja erst auf die Idee gekommen, mit Ihnen zu sprechen, als er Ihren Namen gehört hat. Und dann konnte er einfach nicht widerstehen.« Montalvo betrachtete das Foto von Kistle. »Und offensichtlich geht er gern Risiken ein, allerdings nicht beim Mord an Kindern. Natürlich ist ihm klar, wie sehr Verbrechen an Kindern die Öffentlichkeit aufbringen, folglich verhält er sich extrem vorsichtig. Das gehört für ihn zum Spaß am Leben. Solange keine Leichen gefunden werden, gibt es kein Verbrechen, und er kann weitermachen, wie es ihm beliebt. Aber seinen ehemaligen Chef Pelham hätte er nicht töten müssen. Das war kleinkariert. Warum ist er das Risiko eingegangen?«
    »Rache«, sagte Joe. »Und es gibt ihm das Gefühl der Überlegenheit.«
    »Könnte gut sein.«
    »Das passt zum Profil von Serienmördern. In den meisten Fällen geht es vor allem um Macht. Selbst sexueller Missbrauch ist ein Machtspiel.«
    »Dann passt Kistle ins Bild«, sagte Montalvo. »Er will unbedingt der Beste sein.«
    »Sie wirken ja ziemlich überzeugt«, sagte Eve. »Von den Fällen, über die Sie mir erzählt haben, kann man nicht darauf schließen, was er denkt.«
    »Nein, es muss also noch etwas anderes geben.« Joe musterte Montalvos Gesichtsausdruck. »Was?«
    »Ich habe meinen Ermittler noch einmal zu Murdock geschickt, dem Mann, der ihm zuerst gesteckt hat, dass Kistle sich ihm gegenüber als Mörder von Bonnie Duncan gebrüstet hatte. Drei Tage lang ist er noch einmal jedes Detail aus der Zeit durchgegangen, die Murdock mit Kistle verbracht hatte, und ist dabei auf eine winzige Information gestoßen. Kistle ging gern auf die Jagd. Er hat damit angegeben, er sei einmal in einem Dschungel ausgesetzt worden und habe sechs Monate lang überlebt. Wonach hört sich das für Sie an, Quinn?«
    »SEALs oder Rangers.«
    »Er war bei den Rangers. Meine Ermittler haben eine Woche gebraucht, um eine Erlaubnis zur Akteneinsicht zu bekommen, was schließlich durch Bestechung auch geklappt hat. Zum Glück hatten sie ein Foto, sonst hätten sie ihn nie und nimmer identifiziert. Mit neunzehn ist er unter dem Namen Tim Hathaway zur Armee gegangen.

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