Die Knochenleserin
Waffe erweisen, über die er verfügte.
»Möchtest du einen Kaffee, Eve? Oder vielleicht einen Orangensaft? Es ist ziemlich –« Janes Handy klingelte, und nachdem sie es aus der Tasche genommen und die Nummer im Display gesehen hatte, sagte sie: »Das ist mein Agent, Eve. Ich kann ihm sagen, er soll später noch mal anrufen.«
»Nein, nimm den Anruf ruhig an. Ich möchte nicht, dass du meinetwegen dein Leben auf Eis legst.« Sie trat an die Anrichte und goss sich eine Tasse Kaffee ein. »Nun mach schon.«
Jane zögerte. Wahrscheinlich war es idiotisch, sich dermaßen als Beschützerin aufzuspielen, außerdem würde Eve das sowieso von niemandem akzeptieren. Sie nahm den Anruf an und ging in ihr Zimmer. »Ruf mich, wenn du mich brauchst.«
»Schön, Sie zu sehen, Eve«, sagte Montalvo ruhig. »Es heißt, dass Vorfreude das Vergnügen noch intensiviert. Ohne Vorfreude könnte ich leben. Ohne Sie nicht.«
»Sie hatten mich doch nie.« Sie sah ihn über den Rand ihrer Tasse hinweg an. Sie hatte gehofft, er wäre in Wirklichkeit unscheinbarer, als sie ihn in Erinnerung hatte. Er war derselbe Montalvo, dunkle Augen, die intelligent und kühn in die Welt blickten, dunkles Haar, volle, wohlgeformte Lippen, und er sprühte vor Kraft und Energie. »Ich hatte Ihnen gesagt, dass ich Ihre Einmischung nicht will, Montalvo. Ich möchte Sie nicht in meinem Leben haben.«
»Ich mische mich nicht ein. Ich empfand es als meine Pflicht, Sie von Miguel beschützen zu lassen, ansonsten halte ich mich im Hintergrund. Komme ich Ihnen etwa zu nahe?« Er lächelte. »Aber schließlich war es Quinn, der mich hierher eingeladen hat.«
»Weil Sie über Informationen verfügen, die wir brauchen. Glauben Sie vielleicht, ich wüsste nicht, dass Joe niemals –« Es klopfte an der Tür. »Das muss Joe sein.« Sie stellte ihre Tasse ab und trat an die Tür.
»So ein höfliches Klopfen«, murmelte Montalvo. »Sehr lobenswert.«
Verdammt, natürlich gefiel es ihm, dass Joe nicht mit ihr im selben Zimmer wohnte. Sie riss die Tür auf. »Hat Jane vergessen, dir deinen Schlüssel zu geben?« Sie nahm ihren eigenen Schlüssel aus der Schublade neben der Tür und reichte ihn Joe. »Montalvo ist schon da.«
»Das sehe ich.« Joe trat ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich. »Können wir anfangen?«
»Sicher doch«, erwiderte Montalvo. Er öffnete die Mappe, die er auf den Couchtisch gelegt hatte. »Als Erstes würde ich gern erfahren, was Sie herausgefunden haben, Quinn.«
»Nicht viel. Ich konnte ihn anhand eines Kreditkartenbelegs im Wal-Mart hier im Ort ausfindig machen. Ich war ziemlich überrascht, dass er seinen Namen nicht geändert hat, nachdem er Detroit verlassen hatte.«
»Da stand er ja auch noch nicht unter Verdacht und hatte keinen Grund, ihn zu ändern. Er hatte keine Ahnung, dass wir hinter ihm her waren.« Montalvo breitete Papiere und Fotos auf dem Couchtisch aus. »Mein Ermittler hat eine ganze Menge Informationen zusammengetragen, aber es gibt immer noch vieles, das wir nicht wissen.« Er tippte auf ein Foto. »Das ist das aktuellste Foto, das wir von Kistle haben, Eve. Es wurde vor zwei Jahren bei einer Grillparty aufgenommen, die sein Arbeitgeber Chad Pelham gegeben hat.«
Auf dem Foto war ein Mann zu sehen, der auf einem gestreiften Klubsessel saß und eine Büchse Budweiser in der Hand hielt. Er war um die vierzig, gut gebaut, mit großen braunen Augen und dichtem grau-braunem Haarschopf. Er lächelte in die Kamera. Es erschien Eve unmöglich, dass dies der Mann sein sollte, der sie angerufen und so viel Gift und Galle versprüht hatte.
»Sein Arbeitgeber?«, fragte Joe. »Welcher Arbeit ist Kistle denn nachgegangen?«
»Er war als Trainer in einem Fitnessstudio angestellt, das Pelham gehörte. Kistle hat über ein Jahr für ihn gearbeitet. Seine Kollegen haben ausgesagt, er sei bei den Frauen sehr beliebt gewesen. Aber es gab keinerlei Hinweise auf irgendwie anstößiges Verhalten. Dann beschloss Pelham, sich von Kistle zu trennen, ohne ihm allerdings einen Grund dafür zu nennen. Zwei Wochen später erklärte Kistle, er habe einen neuen Job, und ging.« Montalvo zog aus dem Stapel Papier einen Zeitungsausschnitt hervor. »Pelham kam sechs Wochen später bei einem Autounfall ums Leben. Die Bremsen hatten versagt. Keinerlei Anzeichen von Manipulation.« Montalvo zuckte die Achseln. »Andererseits bestand seitens der Polizei auch kein Verdacht auf Mord.«
»Woher wollen Sie wissen, dass er doch ermordet
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