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Die Knochenleserin

Die Knochenleserin

Titel: Die Knochenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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diesen verdammten Schwindlern einzulassen, würde bedeuten, in diese Hölle zurückzukehren.«
     
    Der Tote hing zehn Meter über dem Boden, eine Rankpflanze war ihm um den Hals geschlungen.
    »Verdammt«, murmelte Joe, als er den Strahl der Taschenlampe auf das Gesicht des Mannes richtete. »Wer ist das, Pete?«
    »Don Astins.« Der Deputy schluckte schwer. »Verkehrspolizist. Er hat sich freiwillig angeboten – Gott, noch einer. Wie macht dieser Dreckskerl das?«
    Joe überging die Frage. »Wann haben Sie ihn gefunden?«
    »Vor zwanzig Minuten. Er hat sich nicht zum verabredeten Zeitpunkt gemeldet, deshalb haben wir ihn gesucht. Wir haben so lange gebraucht, um ihn zu finden, weil wir nicht nach oben gesehen haben. Aber dann hat jemand Blut auf dem Boden unter dem Baum entdeckt.«
    »Blut? Er ist erhängt worden.«
    »Nein, es stammt aus einer Brustwunde. Ich habe allen gesagt, dass sie ihn hängen lassen sollen. Könnte doch sein, dass sich Spuren finden, nicht wahr? Er muss ihn hierhergetragen haben.«
    »Möglich.« Joe trat nach links, um einen besseren Blick auf die Vorderseite der Leiche zu haben. Brustwunde, hatte Pete gesagt. Verdammt, hoffentlich nicht.
    Er stand jetzt so, dass er den Mann von vorn sehen konnte. Der Pflock in seiner Brust und –
    »Verflucht.«
     
    Es war fast Mitternacht, als Eves Telefon klingelte.
    »Habe ich dich geweckt?«, fragte Joe, als sie den Hörer abnahm. »Tut mir leid, ich dachte nur, dass es wichtig genug ist, um ein bisschen Schlafmangel zu rechtfertigen.«
    »Ich habe noch nicht geschlafen, ich war bei der Arbeit.« Ihre Hand umklammerte den Hörer. »Habt ihr ihn erwischt?«
    »Nein.« Er zögerte. »Er hat noch einen Polizisten getötet. Nach dem Befund des Gerichtsmediziners wurde er mit einer Schlinge erdrosselt und dann in einem Baum aufgehängt, wo wir ihn gefunden haben.«
    Eve schloss die Augen. »Mein Gott.«
    »In seiner Brust steckte ein Holzpflock.«
    Sie verkrampfte sich. »Mit einer Botschaft?«
    »Ja.«
    »Ich muss wohl nicht fragen, was draufstand, oder?«, fragte sie zitternd.
    »Dieselbe Botschaft.«
    Sie hatte es geahnt, dennoch fühlte sie sich, als hätte er ihr einen Schlag versetzt.
    Sie hörte Joe fluchen. »Verdammt, eigentlich wollte ich es dir gar nicht sagen, aber ich hatte Angst, dass es jemand anders tun könnte.«
    »Nein, es war richtig, mich anzurufen. Ich musste es wissen.« Sie bemühte sich, ihre Fassung wiederzugewinnen. »Wie konnte das geschehen? Du hast doch gesagt, es wimmelt da draußen von Deputys.«
    »Du kennst ja seinen Werdegang. Man hat ihm das Töten beigebracht.«
    »Und diese Deputys sind wehrlose Zielscheiben.«
    »Ich werde ihn kriegen, Eve.«
    »Bevor er noch einen Mann für mich tötet?«
    »Ich werde ihn mir holen«, wiederholte er. »Ich hänge jetzt hier am Tatort fest, aber wenn du mich brauchst, komm ich sofort zu dir.«
    Sie brauchte ihn wirklich. Noch ein Toter … Wer war der Mann, der in ihrem Namen sterben musste? Hatte er Familie?
    »Eve, antworte mir. Brauchst du mich?«
    »Es geht mir gut.« Was sollte sie tun? Ihn von der Suche abziehen, nur weil sie schockiert und traurig war und sich hilflos und schwach fühlte? »Bleib dort. Und ruf mich an, wenn du irgendwas herausfindest.«
    »Und du geh ins Bett und versuch zu schlafen. Es kann noch Stunden dauern. Diese Spurensicherer hier vor Ort tun ihr Bestes, aber sie sind nicht gerade auf dem neusten Stand der Technik. Ich lasse es dich wissen, falls irgendetwas Unerwartetes auftaucht.« Er legte auf.
    Sie kauerte sich auf das Sofa und betrachtete die Mappe, die Montalvo am Morgen gebracht hatte. Joe hatte recht. Kistle war für den Guerillakampf ausgebildet, und ganz gewöhnliche Polizisten hatten keine Chance in dem Wald. Selbst wenn sie viel mehr Personal hätten, könnte Kistle seine Verfolger ausschalten.
    Und das Töten würde weitergehen. Kistle gefiel sich darin zu zeigen, wie überlegen er war, wie er sie verhöhnen konnte. Es würde noch einen weiteren Holzpflock durch ein Herz geben, eine weitere Botschaft.
    Für dich, Eve.
    Nein!
    Sie sprang auf und begann zu wählen.
    Montalvo war beim zweiten Klingeln am Apparat.
    »Ein weiterer Polizist ist getötet worden«, sagte sie. »Joe hat mich eben angerufen.«
    »Ich weiß, hab’s schon gehört. Ich bin bereits unterwegs.«
    »So viele Polizisten, und trotzdem ist es ihm gelungen, drei von ihnen zu töten. Für mich, Montalvo, für mich.«
    »Nein, Sie wissen, dass das nicht stimmt. Er tötet, weil

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