Die Knochenleserin
es ihm gefällt. Sie sind nur der Vorwand.«
»Ich will kein Vorwand für Mord sein. Das muss aufhören. Ich muss irgendetwas tun.«
Er sagte einen Augenblick lang nichts. »Warum rufen Sie an? Was wollen Sie von mir?«
»Ich möchte, dass es im Wald von erfahrenen Männern nur so wimmelt, die kein Futter für Kistle sind. Ich will, dass das FBI sich einschaltet. Ich will nicht nur drei Agenten. Ich will eine ganze Armee. Ich will, dass sie Spurensucher und Waldspezialisten und Leute wie Joe und Sie mitbringen. Ich will, dass Kistle gefasst wird, bevor er noch jemanden töten kann.«
»Das ist ja nicht gerade wenig. Sie wissen doch, dass Quinn das FBI nicht für nötig hält.«
»Ich will nicht, dass noch jemand getötet wird.«
»Quinn hat recht, das FBI ist keine Lösung.«
»Wieso widersprechen Sie mir? Sie sind doch derjenige, der als Erster das FBI ins Spiel gebracht hat.«
»Ich widerspreche Ihnen nicht. Ich möchte auch, dass das FBI dabei ist. Aber ich will auch ehrlich sein. Ich gehe jede Wette ein, dass entweder Quinn ihn ergreift oder ich. Das FBI ist nur ein Trumpf im Ärmel.«
Für dich, Eve.
»Und ich will diesen Trumpf haben.«
»Dann werde ich das FBI für Sie auf den Plan rufen. Es muss über Venable laufen. Kommen Sie morgen früh mit mir zum Flussufer?«
Sie erstarrte. »Zu dem Medium? Auf keinen Fall.«
»Venable hat das arrangiert. Wenn wir dieses nette kleine Schauspiel hinter uns bringen und nichts dabei herauskommt, dann kann ich ihn vielleicht ein bisschen unter Druck setzen und dazu bringen, dass er seine bürokratische Zuständigkeitsmanie vergisst und uns unterstützt.«
»Warum soll ich denn dabei sein?«
»Weil Sie diese Art von Scharade schon mal mitgemacht haben. Venable wird auf Sie hören, wenn Sie ihm von Ihren Erfahrungen berichten und ihm ähnliche Fälle präsentieren.«
Frustriert umklammerte sie den Hörer. »Verdammt noch mal! Venable ist doch ein kluger Kopf. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er sich so reinlegen lässt.«
»Werden Sie kommen?«
Sie wollte es nicht. Es würde zu viele grässliche Erinnerungen wachrufen.
Für dich, Eve.
»Ich komme.« Sie holte tief Luft. »Holen Sie mich um fünf Uhr ab. Wie heißt dieses Medium?«
»Moment, ich seh mal nach.« Er kam wieder ans Telefon. »Die Frau heißt Megan Blair.«
»Um Himmels willen, Megan, sag ihm, er soll sich zum Teufel scheren«, sagte Phillip Blair. »Du weißt nicht, was es für Folgen für dich haben wird.«
»Ich kann Venable nicht sagen, er soll sich zum Teufel scheren.« Megan verstaute den Laptop in ihrer Reisetasche und machte den Reißverschluss zu. »Er hat mir ein Angebot gemacht, das ich nicht ablehnen kann, Phillip.« Sollte sie ihren Arztkoffer mitnehmen? Sie würde wahrscheinlich nur eine Nacht weg sein, aber eigentlich nahm sie ihn immer mit. Warum nicht? Man konnte nie wissen, ob sie ihn vielleicht brauchen würde. Auch wenn sie derzeit nicht als Ärztin praktizierte, fühlte sie sich unwohl ohne ihre Ausrüstung. Sie drehte sich um und lächelte ihrem Onkel zu. »Mach dir keine Sorgen, Phillip. Es wird schon gehen. Ich stehe das schon durch. Es ist nicht das erste Mal.«
»Ich habe gehört, wie du es durchgestanden hast«, erwiderte Phillip. »Und ich könnte Venable dafür erwürgen, dass er so darauf bestanden hat.«
Dasselbe hatte sie auch gedacht, als Venable angerufen hatte. Anfangs nicht – ihre erste Reaktion war totale Panik gewesen, gefolgt von dem Gefühl, sich gleich übergeben zu müssen. »Er hat nicht darauf bestanden. Er hat mich einfach nur daran erinnert, dass er seine Bedenken wegen des Budgets beiseitegeschoben hat, als es um das Auffinden der von Molinos Sklavenring entführten Kinder ging. Er hat mir noch für mindestens ein Jahr seine Unterstützung beim Kampf gegen die Bürokratie versprochen, wenn ich ihm diesen Gefallen tue.«
»Ausgesprochen liebenswert.«
»Er ist in Ordnung. Er scheint mich wirklich zu brauchen.«
»Und was ist mit dir? Nachher landest du wieder im Krankenhaus. Weiß Grady was davon?«
Sie schüttelte den Kopf. »Grady ist noch in Tansania. Er hat Probleme, einige der Kinder dort zu finden.« Sie drehte sich um und trat zu ihm. Sie spürte seine Angst, und es tat ihr weh. Sie legte den Kopf an seine Brust. »Es ist nur dies eine Mal. Ich werde schon nicht zusammenbrechen.«
»Es ist ein kleiner Junge, Megan. Du liebst Kinder. Es wird dich zerreißen.«
»Sie wissen ja nicht mal, ob und wo der Junge getötet
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