Die Knochenleserin
wie ich das gemeinsam mit ihr durchmache.«
Eve spürte, wie ihr bei dem Gedanken das Blut aus dem Gesicht wich. »Nein, das will ich nicht.«
»Aber es wird passieren. Ich kann das nicht kontrollieren.«
Eve erschauderte. »Ich muss sie nach Hause holen, Megan.«
Megan sah sie hilflos an. »Finden Sie eine andere Möglichkeit, Eve.«
»Es geht nicht mehr nur um Bonnie, es geht jetzt auch um Laura Ann. Für Laura Ann gibt es keine andere Möglichkeit. Und Joe wurde vergangene Nacht beinahe getötet, als wir in eine von Kistles Fallen gelaufen sind. Ich kann das nicht noch einmal geschehen lassen. Kommen Sie mit uns, Megan.«
»Lassen Sie sie in Ruhe.« Phillip Blair stand in der Tür, in der Hand ein Tablett mit einer Karaffe und Tassen. »Sie hat Ihnen bereits einmal geholfen. Das reicht.«
»Sie verstehen das nicht, Mr Blair«, sagte Eve. »Es handelt sich um einen Notfall. Wir brauchen –«
»Und was braucht sie?«, fragte Phillip ungehalten. »Sie kann so nicht weitermachen. Dieses verdammte Stimmenhören ist nicht ihr einziges Problem, und sie wird nicht damit fertig, dass –«
»Ich werde damit fertig.« Megan stand auf. »Aber ich will es nicht tun. Vielleicht fällt mir eine andere Möglichkeit ein. Lassen Sie mir einen Moment Zeit, damit ich mich konzentrieren kann. Ich bin gleich wieder da …« Sie verließ das Zimmer.
»Tun Sie ihr das nicht an«, sagte Phillip zu Eve. »Sie müssen doch mitbekommen haben, was die Suche nach Bobby Joe bei ihr angerichtet hat. Wenn sie da wieder rauskommt, möchte ich ihr sagen, dass Sie es sich anders überlegt haben. Ich habe von Ihrer Tochter gehört, und es tut mir wirklich leid für Sie. Aber sie ist tot, und Megan lebt. Ich lasse nicht zu, dass Sie sie noch einmal durch so eine Hölle schicken.«
»Ich will sie nicht verletzen. Ich möchte überhaupt niemandem weh tun. Aber ich sehe nicht, wie ich –«
»Dann geben Sie sich Mühe, finden Sie eine Lösung, die nicht auf andere –«
»Ich muss es tun, Phillip«, sagte Megan ruhig von der Tür aus. »Gott weiß, dass ich nicht in diese Geschichte hineingezogen werden möchte, aber ich habe keine andere Wahl. Hat Eve dir gesagt, dass Kistle dieses kleine Mädchen in seiner Gewalt hat, von dem in den Nachrichten berichtet wurde?«
Phillip stieß einen unterdrückten Fluch aus. »Verdammter Mist.«
Eve atmete erleichtert aus. »Danke, Megan. Ich hatte schon befürchtet, Sie –«
»Moment noch.« Megan hielt eine Hand hoch. »Ich möchte, dass Sie wissen, dass ich nur in die Sümpfe gehe, um Laura Ann Simmons da herauszuholen, mehr nicht. Sollte ich andere Stimmen hören, werde ich es Ihnen sagen oder auch nicht. Ich bin diejenige, die bestimmt, wo es langgeht. Ich tue das weder für Sie noch für Bonnie.« Müde schüttelte sie den Kopf. »Denn ich habe das Gefühl, dass meine Suche nach Ihrer Tochter für Sie das Schlimmste wäre, was Ihnen passieren kann.« Nach einem Moment des Nachdenkens sagte sie: »Ich ziehe mich an und packe ein paar Sachen.« Sie wandte sich an Phillip. »Das Mädchen lebt, Phillip. Ich muss mit dafür sorgen, dass sie am Leben bleibt.«
»Ist ja schon gut. Ich sehe, dass da nichts zu machen ist.« Seine Miene war düster. »Nimm eine Tasse Kaffee mit in dein Zimmer und trink ihn, während du packst.« Er stellte das Tablett auf dem gläsernen Couchtisch ab. »Ich werde auch eine Tasche packen, wir treffen uns dann in zehn Minuten am Eingang.«
»Du kommst nicht mit, Phillip«, sagte Megan. »Ich muss in die Sümpfe fahren, und ich werde nicht zulassen, dass du mitkommst.«
»Dann nehme ich mir eben ein Hotelzimmer und warte, bis du da wieder rauskommst.« Er sah Eve an. »Und Sie passen gefälligst auf sie auf. Ich möchte nicht, dass sie noch einmal so etwas durchmacht.« Er drehte sich auf dem Absatz um und ging.
»Ich werde meinen eigenen Wagen nehmen und mit Phillip hinfahren«, sagte Megan. »Offenbar ist er entschlossen mitzukommen, da hat es keinen Zweck zu argumentieren. Phillip kann ziemlich stur sein.«
»Er sorgt sich um Sie«, sagte Eve. »Und dass ich hier aufgetaucht bin, gefällt ihm ganz und gar nicht. Wer könnte es ihm verübeln?« Sie stand auf. »Joe wartet schon im Wagen, und Montalvo kommt auch mit. Wir werden draußen auf Sie warten.« Sie zögerte. »Ich sollte Sie vielleicht vorwarnen, dass Joe möglicherweise nicht sehr … freundlich sein wird. Er war dabei, als ich vor Jahren mit diesen Medien zu tun hatte. Er glaubt nicht, dass Sie helfen
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