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Die Knochenleserin

Die Knochenleserin

Titel: Die Knochenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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Vielleicht würde ihre Chance ja bald kommen.
    Aber sie konnte einen schwarzen Alligator sehen, der von der Insel ins Wasser glitt.
    Nicht weinen.
     
    »Sie lebt.« Eve beendete das Gespräch. »Aber ich glaube, das Einzige, was ihn davon abhält, sie zu töten, ist ihre Nerverei. Er ist nicht an Widerstand gewöhnt, und das macht ihn wütend. Er wird versuchen, ihren Widerstand ganz allmählich zu brechen.«
    »So wie er es bei Bobby Joe getan hat.« Megans Lippen zogen sich zusammen. »Sie haben recht, er ist wirklich gefährlicher als alles, was ihr in diesem Sumpf blühen könnte.«
    »Abgesehen von Ertrinken, Treibsand, Schlangen und Alligatoren«, zählte Miguel auf. »Sie ist noch ein kleines Mädchen, Eve.«
    »Was hätte ich ihr denn sagen sollen?«, entgegnete Eve heftig. »Wenn wir ihn aufstöbern, wird er sie töten. Das steht außer Frage. Selbst wenn wir ihm zu nahe kommen, wird er es tun. Sie ist überall sicherer aufgehoben als in seiner Nähe.«
    »Du hast das Richtige getan«, sagte Joe. »Halten Sie den Mund, Miguel.« Er ging zu einem der Boote. »Lasst uns aufbrechen. Eve und Megan, ihr kommt mit mir. Montalvo und Miguel, Sie nehmen das andere Boot. Wir fahren in Richtung Norden, und Sie fahren zu der anderen Stelle, die Garfield uns genannt hat. Rufen Sie uns an, sobald Sie irgendetwas entdecken, was aussieht wie diese Insel. In Ordnung?«
    »Wie schön, dass Sie um meine Zustimmung bitten«, sagte Montalvo trocken, »denn ich habe allmählich genug davon, dauernd Befehle entgegenzunehmen.« Er drehte sich auf dem Absatz um und ging zu dem anderen Boot. »Aber es ist vernünftig, sich aufzuteilen. Falls Probleme auftauchen, rufen Sie mich an.«
    Megan umarmte Phillip hastig. »Eh du dich versiehst, bin ich wieder zurück«, flüsterte sie. »Es wird alles gut werden, Phillip.«
    »Von wegen. Pass gut auf dich auf.« Phillip warf Joe einen kühlen Blick zu. »Und Sie passen gefälligst auch auf sie auf. Es interessiert mich nicht im Geringsten, ob Sie ihr glauben oder nicht. Sie riskiert mehr als jeder andere von Ihnen bei dieser Jagd auf Kistle. Sie hat Ihre Loyalität verdient.«
    »Die wird sie bekommen«, erwiderte Joe knapp. »Solange sie mir nicht in die Quere kommt.« Er sprang ins Boot. »Wir fahren jetzt. Wir sollten eine möglichst große Strecke zurücklegen, solange wir noch ein bisschen Tageslicht haben.«
     
    Sie waren erst wenige Kilometer weit gekommen, als es dunkel wurde.
    Die tiefschwarze Finsternis unter den Bäumen hat etwas Erdrückendes, dachte Eve. Es war, als würden sie lebendig begraben. Nein, denn auch wenn sie nichts sah, so konnte sie doch ihre anderen Sinne benutzen. Geräusche und Gerüche waren überall um sie herum. Die Rufe von Nachtvögeln, das Rascheln der Schlangen, der Geruch der verrottenden Vegetation. Eve verschlug es den Atem, und ihr Herz begann zu rasen. »Sollen wir nicht lieber die Taschenlampen einschalten?«
    »Falls du unbedingt eine gute Zielscheibe abgeben willst.« Joe drückte ihr und Megan eine Brille in die Hand. »Infrarot-Nachtsichtbrillen. Wir haben Vollmond, und wir werden die Brillen nur brauchen, solange wir unter dichten Blätterdächern durchfahren. Setzt sie euch auf und sagt mir Bescheid, falls ihr etwas entdeckt.«
    Die beiden Frauen setzten ihre Nachtsichtbrillen auf. »Sind wir bald da?«
    »Wir nähern uns. Vielleicht noch zwei oder drei Kilometer. In diesem Sumpfgebiet kommen wir nur langsam voran. In ein paar Minuten stelle ich den Motor ab und benutze die Ruder.«
    Weil das leiser war, dachte Eve, und Kistle sie nicht würde kommen hören. »Er wird doch auch eine Nachtsichtbrille haben, oder?«
    »Garantiert. Er wird alles an Ausrüstung haben, was ihm irgendeinen Vorteil verschafft.«
    Selbst mit der Brille war es noch dunkel, aber Eve konnte die nachtaktiven Tiere als rote Schatten erkennen, was beinahe genauso beängstigend war wie die bedrohliche Schwärze.
    Ihr wurde plötzlich bewusst, dass Megan schon lange kein Wort mehr gesagt hatte, und sie drehte sich zu ihr um. »Wie geht es Ihnen?«
    »Es ist mir schon besser gegangen«, erwiderte Megan mit zitternder Stimme. Sie tippte gegen die Brille. »Damit geht es aber.«
    Joe warf ihr einen Blick zu. »Keine spirituellen Schwingungen? Ich bin enttäuscht. Ich könnte im Moment ein bisschen Hilfe gebrauchen.«
    »Ich auch.« Sie erwiderte seinen Blick. »Das hier ist kein guter Ort. Er erinnert mich an eine Höhle in der Nähe meines Elternhauses. Zu viel ist hier

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