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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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verschwand in ihren Gemächern. Sie dachte nicht im Traum daran, unnötige Hast an den Tag zu legen. Es war uralte Frauenweisheit: Männer musste man warten lassen.
    Sie zog sich aus, setzte sich nackt vor den Spiegel und öffnete ihr Haar. Es war schwarz wie Rabenfedern und so dicht und fest, dass sie sich rühmte, Faliero habe sie daran einmal im Zorn quer durch den Palazzo gezogen, ohne dass ihr ein einziges Haar ausgefallen wäre. Sie kämmte und bürstete es in langen Strichen, dann fuhr sie mit zwei Fingern durch einen Tiegel mit violetter Farbe und zog damit feine Linien in die Strähnen. Ein Kohlestift half ihr, die Brauen nachzuziehen, damit ihre eisblauen Augen noch heller und größer wirkten. Nun nahm sie einen Pinsel und begann, ihrem Gesicht mit Bleiweiß eine vornehme Blässe zu verleihen. Glücklicherweise gehörte sie zu den Frauen, deren Haut durch das Mittel keinen Schaden nahm. Mit einem kleineren Pinsel bemalte sie ihre Lippen grellrot. Dabei störte es sie weder, dass man für die Farbe Schildläuse zerquetschte, noch, dass grelles Schminken in feinen Kreisen verpönt war. Sie wusste um die Wirkung kräftiger Farben auf die Männerwelt, zudem hatte sie gewiss keinen guten Ruf zu verlieren. Sie lächelte ihrem Spiegelbild zu, sichtbar zufrieden mit dem, was sie sah. Dann färbte sie auch ihre Brustwarzen und die Scham rot. Sie konnte jetzt schon die Geilheit in Falieros Blick ahnen.
    Schließlich verbrachte sie noch einige Zeit mit der Auswahl eines passenden Kleides. Sie entschied sich für Seide, ein mit Goldfäden durchwirktes Gewand, das ein Vermögen gekostet haben musste, denn es kam aus China. Es war ein Geschenk Falieros – so nannte er es. Für sie war es Bezahlung für geleistete Dienste. Als Letztes steckte sie mit Nadeln und Klammern ihr Haar hoch.
    Sie verließ den Palazzo und stieg in die Barke. Das Boot hatte einen Aufbau, und niemand konnte sie sehen. Sie nahm auf weichen Kissen Platz und lehnte sich zurück. Die Fahrt dauerte nicht lang. Bald spürte sie den leichten Ruck, als das Boot an Falieros Anlegestelle entlangschabte und schließlich schaukelnd vertäut wurde.
    Falieros Palazzo mit Blick auf die Lagune war zur Schau gestellter Reichtum. Was immer exotisch, außergewöhnlich und sündhaft teuer war – hier fand man es. Von außen blickte man auf eine Fassade mit wertvollen Tafelglasfenstern und überbordendem byzantinischem Bauschmuck, der besonders prunkvoll die fünfbogige Loggia über dem Sockelgeschoss zierte. Der Palazzo war in bester Lage erbaut, an der Hauptstraße Venedigs, dem Canal Grande, nicht weit entfernt von der Mündung in die Lagune. Von hier aus lag alles in Blickweite: das Meer, der Markusdom, der Campanile.
    Während der Diener Felicia über den Steg zum Eingang begleitete, überlegte sie, warum Faliero sie gerade jetzt hatte rufen lassen. Dann fiel es ihr ein. Der
maggior consiglio
hatte einen neuen Dogen gewählt.

    Sie hatte erwartet, er würde wie ein Raubtier über sie herfallen. Nichts anderes wollte sie mit ihrem Aufzug bezwecken – und genau das war es, was sie an ihn fesselte. Er war kalt, berechnend und ohne Gewissen. Doch wenn man in die Glut blies, dann brannte ein Feuersturm. Sie hatte sich geschmückt, um genau dieses Feuer zu entfachen. Nichts erregte sie mehr als die entfesselte Lust eines Mannes, umso mehr, wenn es sich um einen mächtigen Mann handelte. Die Mächtigen wollten alles und jeden beherrschen. Dieses Gesetz konnte nur von den Reizen einer Frau gebrochen werden. Ganze Königreiche waren deswegen entstanden und untergegangen.
    Doch Faliero scherte sich in diesem Augenblick nicht um Königreiche. Er sah Felicia flüchtig an, winkte sie dann ungeduldig zu einem Sessel und blaffte: »Eine Hure lässt ihren Herrn nicht warten.«
    Dann schwieg er, mit finsterer, unbewegter Miene. Felicia befand, dass er die Kunst, Menschen allein durch einen Gesichtsausdruck und durch Schweigen zu verunsichern, perfekt beherrschte. War er ihrer etwa überdrüssig geworden oder, schlimmer noch, ihr auf die Schliche gekommen, was ihre anderen Gönner und Liebhaber betraf? Sie beschloss, ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen, schwieg ihrerseits und besah sich mit gelangweilter Ruhe den vor Reichtum strotzenden Salon – ein Sammelsurium aus erlesenen Kunst- und Möbelstücken. Kein Tisch war nur einfach
Tisch,
es musste mindestens ein Meisterwerk arabischer Handwerkskunst sein, mit spielerisch geschwungenen Mahagonibeinen und Elfenbeinintarsien

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