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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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hast du bloß angerichtet. Du hast den heiligen Donnan von Eigg kaputt gemacht!«
    Ich reagierte schnippisch. »So gut sah er vorher auch nicht aus. Er kam schon als Knochenhaufen hier an.«
    Die nach Bock stinkende Krähe nahm einen zersplitterten Oberarmknochen, um den sich Silberschmuck wand, aus der Kiste und hielt ihn jammernd hoch. »Sieh dir den an. Allein der hier wäre ein Vermögen wert, hättest du ihn nicht zertrampelt. So krieg ich nicht mal mehr ein Drittel.«
    Zunächst ergab seine Rede für mich keinen Sinn.
    Nun zog er einen Unterschenkelknochen heraus, der in der Mitte durchgebrochen war. Ein schwarzes Loch gähnte leer in dem verkohlten Grau. »Oder der! Kaputt! Nur noch ein Fünftel wert.« Seine Stimme klang, als gäbe es den Tod eines geliebten Menschen zu beklagen. »Der Edelstein herausgeschlagen. Es ist … es ist …«, er suchte nach den richtigen Worten, »… es ist eine Katastrophe, eine furchtbare …«
    Hier unterbrach ich ihn, indem ich die Hand hob: »Warte mal. Ich verstehe nicht. Zuerst: Wieso bemisst du die Höhe des Schadens in Geld? Und dann: Was hast du mit dem Märtyrer zu schaffen?«
    Er schien mir nicht einmal zuzuhören. Nun hielt er den Schädel, dem der Unterkiefer fehlte, in der Hand. Sein Jammern wurde herzzerreißend: »Da hat man schon mal das Glück und findet einen ganzen Heiligen gesäubert und hergerichtet in einer Kiste – und muss nicht erst die Erde aufbuddeln und die Knochen einzeln herausklauben – und dann kommst du daher …«
    »Du bist … du machst …«, nun war ich es, der es die Sprache verschlug.
    Er deutete anklagend auf mich. »Du hast meinen Gewinn geschmälert. Damit schuldest du mir eine Menge Geld.«
    Ich schnappte nach Luft. Die Ungeheuerlichkeiten wurden mir in allen Einzelheiten klar. »Ein Irrer! Du musst ein Irrer sein …«
    »Schsch!«, machte die Krähe. »Du schreist das ganze Kloster zusammen. Wenn man uns hier findet …«
    »Man hat mich hier eingesperrt. Ich habe nichts zu befürchten.«
    »Schsch!«, wiederholte er mit wild rollenden Kohleaugen. »Hast du doch. Du hast den heiligen Donnan zerstört.«
    Das stimmte. Ich fauchte leiser: »Hab ich es recht verstanden? Du willst die Knochen des Heiligen stehlen und verkaufen?«
    »Wer spricht von stehlen? Ich nehme sie nur, damit sie hier nicht verschimmeln, sondern von Nutzen sind. Was soll ich sonst tun? Wer essen will, muss arbeiten.« Sein Blick streifte mich verächtlich. »Ich sitze nicht wie die Made im Speck und muss nur ein paar Ave Maria dafür beten.«
    »Du hast ja keine Ahnung!«, zischte ich. »Das Klosterleben ist hart!
Du
musst nur arbeiten!
Ich
muss dazu noch beten!«
    »Ha! Was meinst du, wie ich bete, wenn ich einen Toten aus der Erde hole. Paternoster, Psalmen, was du willst – damit ich nicht mal versehentlich den Teufel aus dem Grab hole.«
    »Du holst die Toten aus den Gräbern?«, flüsterte ich erschrocken und hob die Hand vor den Mund.
    »Was denkst du denn? Dass die einfach offen herumliegen?«
    Ich wollte nicht glauben, was ich gehört hatte. »Und dann? Was geschieht dann?«
    »Dann beginnt der schwierige Teil der Arbeit.« Er zählte auf: »Ich muss die Knochen säubern. Oft hängen noch Muskeln und Sehnen oder Hautfetzen dran. Das muss alles weg, es muss blitzsauber sein. Dann muss ich Schäden reparieren. Ich nehme Maurermörtel, mach damit zum Beispiel ein Loch zu und pinsle ihn weiß. Dann muss ich die Knochen schmücken …«
    Mir stand der Mund offen. »Schmücken? Wozu? Womit?«
    »Natürlich nicht mit echtem Gold oder richtigen Edelsteinen. Das Zeug muss nur echt aussehen. Ich kaufe es billig von einem Händler.« Wieder stach sein Finger vorwurfsvoll auf mich ein. »Mit dem Heiligen hätte ich so viel verdienen können wie noch nie. Nicht nur die Knochen sind echt, auch die Steine, das Silber und das Gold. Verstehst du nicht – Donnan war die größte Chance meines Lebens. Bis du darauf herumgetrampelt bist.«
    Eine Weile starrten wir uns feindselig an. Doch dann tat er mir leid. Mit seinen dunklen Augen konnte er so mitleiderregend blicken, beinah so treu wie das Lämmchen, das ich geschlachtet hatte.
    »Wie bist du überhaupt auf die Insel gekommen?«, fragte ich schließlich mit wesentlich milderer Stimme. »Und woher wusstest du von der Reliquie?«
    »Ich habe ein Boot.«
    »Gestohlen.«
    »Gefunden.«
    »Aha.«
    »Es lag herrenlos am Strand.«
    »Tatsächlich.«
    »Ja. Von der Reliquie erfuhr ich von einem Freund. Er arbeitet auf der

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