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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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dahin.«
    »Die Pest.« Faliero wurde bleich. Ruckartig ließ er Felicias Brust los und flüsterte: »Alles. Nur nicht der Schwarze Tod.« Dann befahl er: »Zieh dich aus.«

4
    Die Krähe, die stank wie ein Ziegenbock
    T ausend Teufel! Was machst du da?«
    Während meine Füße weiter ihren stampfenden Tanz aufführten, wirbelte in meinem Kopf ein wilder Reigen: Äbtissin Matilda! Ich bin verloren! Sie wird mich für den Rest meines Lebens einsperren! Mit Donnan, dem toten Märtyrer! Oder sie lässt mich in einen Sack einnähen und von den Klippen werfen!
    »Verdammt! Hör auf! Weißt du nicht, wie wertvoll er ist?«
    Der Takt meiner Füße wurde langsamer, ebenso das Wirbeln meiner Gedanken. Es war immer noch so dunkel, dass ich nur die Umrisse einer Gestalt sehen konnte. Doch nun fiel mir auf, dass die Stimme Matildas tief klang – ungewöhnlich tief. Auch die Wortwahl ließ mich stutzen. Gewiss, es war verständlich, dass mein Tanz auf dem Märtyrer die Äbtissin erzürnt hatte – doch ließ sie sich deshalb gleich dazu verleiten, wie ein schottischer Schafshirte zu fluchen? Nun stand ich ganz still. Plötzlich gaben die Wolken den Mond frei, und fahles Licht streifte die Gestalt im Türrahmen. Sie war ebenso groß wie dürr, mit einem Überwurf aus Ziegenfell, das ich nun auch roch. Doch wie eine Kerze erlosch der Mond schon wieder, und die Gestalt wurde zum alten, schwarzgrauen Schemen.
    »Wer …«, stammelte ich. Der Gedankenreigen wirbelte noch wilder als zuvor. Da stand keine Äbtissin und auch keine der anderen Nonnen. Der Mond hatte mir einen Kerl gezeigt. Groß, dürr, mit zotteligen schwarzen Haaren, stinkend wie ein Ziegenbock. Jetzt war ich erst recht verloren. Ein Mann des Bischofs – nichts anderes konnte er sein. Ich hatte Grausames gehört von den Bewohnern der äußeren Inseln. Sie kreuzigten, häuteten, köpften, blendeten, pfählten all jene, die sie nicht leiden mochten. Dies war nun in Bezug auf mich ganz bestimmt der Fall. Ich senkte meinen Blick. Der Märtyrer unter meinen Füßen war nur mehr ein Haufen gebrochener und zersplitterter Knochen. Ich hatte die heilige Reliquie des Donnan von Eigg fürchterlich zugerichtet.
    Der Schatten trat vor, zog die Tür hinter sich zu und kam näher. Erschrocken wollte ich zurückweichen, doch ich stieß nur gegen den harten Stein des Altars.
    »Hilf …!«
    Ein Arm umschlang mich, und eine Hand auf meinem Mund erstickte den Schrei. Ich begann um mein Leben zu kämpfen, zappelte, kratzte und schlug. Doch vergebens. Ich befand mich in einem Schraubstock, geknebelt von Ziegengestank. Feuchte Lippen drückten sich an mein Ohr.
    »Hör auf zu zappeln. Ich tu dir doch nichts!«
    Er tat mir nichts? Er zerquetschte und erstickte mich! Das nannte er
nichts tun?
Ich zappelte nur noch mehr.
    »Verdammt! Wirst du wohl stillhalten? Du weckst das ganze Kloster! Man wird uns erwischen!«
    Was hatte er da gerade in mein Ohr mehr geschrien als geflüstert? Man wird uns erwischen? Wenn er ein Mann des Bischofs war, von wem sollte er dann erwischt werden? Da stimmte etwas nicht! Ein Verdacht keimte in mir auf. Mit einem Mal hörte ich auf, mich zu wehren. Bald wurde die Hand von meinem Mund ein wenig angehoben. Als ich still blieb, schwebte sie ganz davon. Dann löste sich der Schraubstock. So fest ich konnte trat ich zu. Ich traf ihn am Schienbein. Nun war er es, der aufschrie.
    »Au! Verflucht!«
    »Still.« Ich äffte ihn nach: »Sonst wird man uns erwischen.« Eine Weile sah ich seinen hüpfenden Schatten, hörte sein unterdrücktes Stöhnen. Dann klapperte eine Klinge auf Stein. Funken flogen. Zunder glomm auf, suchte und fand den Kerzendocht. Warmes Licht floss durch die Kapelle. Gerade noch konnte ich ein Kichern unterdrücken. Es war zu absurd. Der Kerl, der stank wie ein Bock, sah aus wie eine Krähe. Arme und Beine viel zu lang und spindeldürr, die Haare wie schwarze Federn. Die Nase dünn und krumm wie ein Möwenschnabel. Der Mund ein kleiner Kreis, der nun zu gar nichts passte. Doch dann sah ich seine Augen. Schwarz, dunkel wie die Nacht. Mit einer herzzerreißenden Mischung aus Hoffnung und Verlorenheit.
    »Meine Güte«, entfuhr es mir. »Was bist du für einer?« Ich stand immer noch in einer Kiste voller zertrampelter Knochen.
    »Pst! Leise!« Er hob einen Finger, stakste zwei Schritte und blickte an meinen Beinen hinunter in die Kiste. Als er den Kopf schüttelte, sah es aus, als picke ein Huhn Körner aus der Luft. Dann jammerte er: »Himmel. Was

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