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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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zu ändern. Basta. Was ist deine zweite Bitte?«
    »Mein Vater …«
    »Das trifft sich gut. Dein Vater hat einen letzten Wunsch geäußert.«
    »Einen letzten Wunsch?«
    »Ja. Den Wunsch, dich noch einmal zu sehen.«

58
    Erlösung
    E s stank, als hätte jemand Blut, Exkremente, Weihrauch und Blütenblätter in einen großen Kessel getan, alles umgerührt und hier über den Boden gekippt. Die Wächter hatten in die gusseiserne Wandhalterung eine Fackel gesteckt, deren flackernder Widerschein nun über das feuchte Mauerwerk tanzte. Die Zelle maß drei Schritte in der Länge und war nur halb so breit. Das blutige Bündel in der Ecke war mein Vater.
    »Cai…lun.«
    Die Stimme hatte fast nichts Menschliches. Mein Name klang wie der Laut eines gequälten, sterbenden Tiers. Ich kniete neben dem Bündel nieder. Meine Hand, die ich schon ausgestreckt hatte, zuckte zurück, als er sein Gesicht zu mir drehte. Ein unförmiges, geschwollenes Etwas, in dem ein fiebriges Augenpaar glühte. Sein Mund war geöffnet, eine dunkle, leere Höhle.
    »Du … musst …«
    Nun berührte ich ihn doch. Es geschah nicht aus jener Tochterliebe, die mich seit meiner Flucht aus Icolmkill so sehnsüchtig begleitet hatte. Ich spürte auch nicht jene Wut, die in mir bei unserem ersten Treffen gebrannt hatte – nur Mitleid mit diesem Mann, den man gefoltert hatte. Wie sollte ich diesen Fremden als meinen Vater lieben? »Schweigt, bitte«, flüsterte ich müde. »Ihr müsst nichts sagen.«
    »Doch.« Er versuchte sich aufzurichten, sank aber stöhnend zurück. Sein Schädel war rasiert, mit blutigen Schnitten und bläulichen Ergüssen. Seine Schultern waren seltsam hochgezogen, ich sah blutige Verbände an seinen Händen.
    »Wa…sser …«
    Seine Stimme war so schwach, dass ich mein Ohr beinahe an seine blutigen Lippen legen musste, um ihn zu verstehen. Ich blickte mich um. Nahe am Gitter stand ein flacher Holzbottich mit einer Schöpfkelle. Dunkel schimmerte es darin. Ich füllte die Kelle und hielt sie ihm an die Lippen. Das Wasser rann über sein Kinn die Kehle hinab. Ich sah den Dreck, das verkrustete Blut und riss ein Stück Stoff von meinem Gewand. Das tauchte ich ein und tupfte damit sein Gesicht ab. Stück für Stück wusch ich ihn. Obwohl er schreckliche Schmerzen litt, gab er keinen Laut von sich. Nur sein Fieberblick flackerte mir nach. Zuletzt wusch ich seine Füße. Wie in den Bergen bei William trocknete ich sie mit meinen Haaren.
    »Cailun.« Nun klang seine Stimme klarer. »Meine Hände … sind kaputt … meine Arme … sie haben mich gestreckt … alle Zähne herausgerissen.«
    Meine Hand lag sanft auf seiner blutigen Stirn.
    »Du musst … du musst … mich töten.«
    Erneut zuckte ich erschrocken zurück. »Was? … Nein!«
    »Cailun … hör zu … sie werden weitermachen … sie wollen Dinge … wissen … die ich nicht weiß. Ich … habe alles … gesagt … aber das genügt nicht …«
    Meine Augen flackerten umher. Ich kniete vor einem geschundenen, zerstörten Bündel Mensch in einer Kerkerzelle. Mein Verstand hatte sofort begriffen, dass mein Vater die einzig richtige Schlussfolgerung gezogen hatte. Alles, was jetzt noch kam, diente nur dazu, ihn zu demütigen, zu quälen, ihm unerträgliche Schmerzen zu bereiten. Die Logik war so grausam wie unbestechlich: Am Ende würde er sterben. So oder so.
    Nun schaffte er es doch, sich ein wenig aufzurichten – mit dem puren Willen, so schien es. Der Fieberglanz seiner Augen hielt mich fest. »Cailun«, stöhnte er. »Ich bitte … dich! Im Stroh versteckt liegt ein … langer … eiserner … Nagel. Ich habe ihn heimlich aus der Folterkammer mitgenommen …«
    Ich begann zu weinen. Absurderweise kam mir nichts anderes in den Sinn als die Worte der ehrwürdigen Mutter Matilda von Icolmkill: »Das Menschenleben liegt allein in Gottes Hand. Wer immer es anrührt, wird in den finsteren Schlund der Hölle geworfen, in alle Ewigkeit.«
    Er gab ein rauhes, vom Husten ersticktes Bellen von sich. »Siehst du … es nicht? Hier ist … der Schlund der Hölle.«
    »Es wäre Sünde!«, heulte ich.
    »Es ist … Gnade«, stöhnte er. »Barmherzigkeit. Sei barmherzig … zu mir.«
    »Gott unser Herr …«
    »Gott hat mich … verlassen … schon lange … oder ich ihn. Hier ist kein … Gott … hier schleicht nur noch … der Teufel herum.«
    Meine Augen waren tränenblind. Ich schluchzte und brachte kein Wort heraus.
    »Such den … Nagel im Stroh.«
    Blind, ohne dass ich wusste, was ich

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