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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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erlitten, denn ein Feuer vernichtete beinahe alles.«
    »Das tut mir leid für Euch.«
    »Das Feuer wurde absichtlich gelegt. Der Doge von Venedig besuchte Prag. Ihm zu Ehren wurde eine heilige Messe gehalten. Aus dieser Messe lockte ihn sein Mörder mit dem Feuer, und in all dem Chaos erstach er Pietro Dandolo. Dieser Mord ist der Grund für meine Anwesenheit hier auf dem Turm, denn da der Mord in der Stadt des Kaisers geschah, wurde er gebeten, dass einer aus seinem Gefolge die Totenglocke für den Mörder läutet. Die Wahl fiel auf mich.«
    »Aha«, war alles, was ich hervorbrachte.
    In diesem Augenblick lehnte sich der Deutsche über die Brüstung und rief aufgeregt: »Jetzt! Jetzt geschieht es!«
    »Was?«, fragte ich und beugte mich ebenfalls vor. Da sah ich es. Der Doge kniete auf der
scala foscara,
den Kopf auf dem Richtblock. Schon sauste das Schwert des Henkers herab. Plötzlich erstarrte ich. Es zischte wie aus einer Schlangengrube. Es gab aber keine Nattern auf dem Campanile. Es war etwas weitaus Schlimmeres. Beim Vorbeugen hatte das Feuer auf meinem Stab die Lunte berührt und entzündet.
    »Passt auf!«, schrie ich. Parler wirbelte herum und starrte geradewegs in das Kanonenrohr. Dann schien alles gleichzeitig zu geschehen. Der Deutsche sprang, Kanonendonner krachte, etwas klirrte, und Qualm und Rauch hüllten mich ein und machten mich blind.

61
    Zwei Mann in einem Käfig
    D er Qualm verzog sich rasch, denn Windböen pfiffen von der Lagune her über den Turm, als seien sie auf der Jagd nach irgendetwas. Zunächst war ich dennoch wie blind, denn der beißende Rauch hatte mir Tränen in die Augen getrieben. Dann rollte ein Donnerschlag über das Meer, so dass ich zunächst dachte, die Kanone wäre ein zweites Mal losgegangen. Als ich endlich wieder klar sehen konnte, traute ich meinen Augen nicht, und ich rieb sie erneut. Der Käfig schaukelte so heftig, dass er immer wieder gegen die Mauerbrüstung schlug. Doch das war nicht der Grund für mein entsetztes Staunen – auch nicht die Tatsache, dass Williams Gefängnis nun offen klaffte, das gesamte vordere Gitter war verschwunden. Ich rieb mir erneut über die Augen, doch nun gab es keinen Zweifel mehr: In dem Käfig saßen zwei Männer: William und – auf ihm – der Deutsche.
    Was dann geschah, war ebenso unglaublich wie alles zuvor. Absurderweise dachte ich in diesem Augenblick nur an eins: Würde ich später diese Geschichte erzählen, dann begegneten meine Zuhörer mir gewiss mit jener nachsichtigen Milde, die man einer geistig Verwirrten gewährt, oder wie William und ich Cosmas, dem betrügerischen Händler vielerlei Dinge, einschließlich der Wahrheit, oder Cei, der auf einem Drachen bis in den Himmel geritten war und nun zwischen den Säulen auf der Piazzetta baumelte, zugehört hatten, Gott sei beider Seelen gnädig.
    Ich muss es trotzdem erzählen, denn so geschah es: William wälzte den regungslosen Körper des deutschen Dombaumeisters von sich, stand dann im Käfig wie ein Seemann auf dem schaukelnden Kahn und sprang im richtigen Augenblick behände, als wäre er ein Affe, vom Käfig auf die Mauerbrüstung und von dort herunter zu mir auf die Plattform. Er riss beide Arme in die Luft, lachte und rief: »Was für eine Verrückte du doch bist! Schießt mir mit einer Kanone einen Mann in meinen Käfig!«
    Ich konnte es immer noch nicht fassen und stotterte: »Ist er … ist er tot?«
    William warf einen Blick über die Schulter zurück in den schaukelnden Käfig, wo der Deutsche lag. »Was weiß ich, jedenfalls hat er noch gestöhnt.«
    »Aber wie ist das möglich … die Kugel hätte ihn zerreißen müssen …«
    »Wie auch immer.« William richtete seinen Blick entschlossen auf das aufgewühlte Meer. »Lass uns von hier so schnell wie möglich verschwinden.«
    Schon sprang er, etwas steif zunächst, doch dann wie der Teufel, die Stufen hinunter, so dass ich ihm kaum folgen konnte. Unten am Tor lugten wir kurz hinaus, und schon rannte William an den Wachen vorbei und am Rande der immer noch gaffenden Menschenmenge über die Piazza. Im Laufen rief ich ihm nach: »Wo willst du denn hin?«, doch er antwortete nicht und blieb erst stehen, als wir die Mole erreicht hatten. Ein prunkvolles Boot, ganz aus Silber und Gold, wie es schien, lag am Steg, die Bänke golden und mit blutrotem Samt gepolstert.
    »Du kannst doch nicht schon wieder …!«, schrie ich, aber William machte sich bereits mit einer Hand am Tau zu schaffen, mit dem das Prunkschiff

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