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Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Siegel
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der er berufen war. Chalil kannte seinen Stiefbruder viel zu gut, um nicht den traurigen Unterton in dem Schreiben zu erkennen. Louis tat ihm leid. Sein Ziel, als tapferer Ritter seinem König zu dienen und irgendwann dafür mit einem reichen Lehen belohnt zu werden, war in weite Ferne gerückt. Er diente nicht mehr dem König, sondern dessen Sohn, und Rudolfs Persönlichkeit reichte bei weitem nicht an die Albrechts heran. Rudolfs Ruf war nicht besonders gut, er galt als schwach, aber berechnend, weswegen die Kurfürsten auch zögerten,Albrechts Wunsch nach Vererbung der Reichskrone an ihn nachzugeben. Für Rudolf war Louis nach dem Verlust seiner Gattin und der französischen Grafschaft nicht mehr als ein bewaffneter Begleiter, dessen man sich bediente oder auch nicht, je nachdem, wie es gerade erforderlich war. Nachdenklich legte Chalil das Pergament beiseite und nahm sich vor, gleich nach der Trauung mit Marie zu sprechen.
 
    »Also, wenn mein Herr Bruder nun nicht zu Franziska zurückkehrt und sie auf Knien um Verzeihung bittet, dann hat er sie auch nicht verdient!«, sagte Marie.
    »Was würdest du denn tun, wenn man uns getrennt hätte?«
    »Ich würde für dich bis ans Ende der Welt laufen, das weißt du genau. Und erinnere dich: Du hast sofort alles stehen und liegen gelassen, um mit mir zu fliehen, als es nötig war. Du hättest mich nie im Leben sitzenlassen und mit einem Kind unter dem Herzen schon gar nicht!«
    »Von dem Kind wusste er doch aber nichts!«
    »Männer! Wenn man sich schon mit einem Mädchen vergnügt, dann kann man mit der Heirat einer anderen auch so lange warten, bis man weiß, dass da nichts unterwegs ist. So würde eine Frau handeln, aber ihr …«
    Chalil warf ihr einen fragenden Blick zu.
    »Gut, du nicht, das war nicht gerecht«, räumte sie ein. »Aber Louis …«
    »Louis hatte einen königlichen Befehl, der auf den Verhandlungen mit den Diplomaten eines anderen großen Reiches beruhte. Er konnte nicht frei entscheiden.«
    Marie schnaubte kurz. Ihrer Ansicht nach hätte Louis sich sehr wohl anders verhalten können, und wenn nun ein anderer Mann um Franziska warb, dann war das eben Pech für Ludwig, befand sie.
    »Franziska ist erwachsen. Sie muss selbst entscheiden«, räumte Chalil schließlich ein, und seine Frau nickte. Mit den anderen Gästen setzten sie den kurzen Weg von der Kapelle in das Gutshaus fort.
    Meynhard hielt sich für einen fortschrittlichen Herrn und hatte allen Bediensteten, egal ob aus dem Haus, der Landwirtschaft oder der Manufaktur, anlässlich seiner Eheschließung einen Gulden geschenkt und im Hof eine Tafel errichten lassen, an der sie unbeschwert schmausen und zechen sollten. Gerührt hörten Elsbeth und er aus der Halle zu, wie die einfachen Menschen draußen sie hochleben ließen.
    Wie durch Zufall saß Walter schon bald neben Franziska, die etwas häufiger als sonst am Wein nippte. Er erzählte ihr von der abenteuerlichen Bergwelt Tirols, von reißenden Flüssen und schneebedeckten Gipfeln und würzte seine Geschichten mit allerlei Schwänken und Schabernack. Franziska lachte. Schon lange hatte sie sich nicht mehr so gut unterhalten. Walter war ein äußerst charmanter Bursche, und je länger sie ihn betrachtete, desto besser gefielen ihr sein kräftiges Kinn, der geschwungene Mund und die rotbraunen Locken.
    Als die Frauen sich dezent zurückzogen, um das Ritual der Schlüsselübergabe und der Inbesitznahme des Haushalts zu vollziehen, schlich er sich heimlich von der Tafel und folgte ihnen. Franziska beobachtete ihn aus dem Augenwinkel. Ihr Atem ging plötzlich schneller, und sie musste sich zwingen, gemessenen Schrittes mit den anderen Frauen loszuschreiten. Als sie sich an das Ende des kleinen Zuges zurückfallen ließ, ihren Schritt verlangsamte und die Damen vor ihr gerade um eine Ecke bogen, griff Walter plötzlich nach ihrem Handgelenk und zog sie in eine dunkle Nische. Es verschlug ihr den Atem, als er sie umarmte und seine Lippen auf die ihren drückte, doch schnell gestand sie sich ein, dass sie den ganzen Abend auf nichts anderes gewartet hatte, und gab sich seiner Dreistigkeit hin. Seine Küsse, zunächst sanft und zärtlich, doch schließlich leidenschaftlicher und wilder, verrieten einen erfahrenen Verführer. Sie seufzte, als er sie an der Taille und den Brüsten zu streicheln begann, und in ihr erwachte ein Gefühl, das sie schon längst nicht mehr gekannt hatte.
    Sie schlichen in sein Zimmer, und mit geschickten Fingern öffnete

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